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Sexueller Missbrauch von Söhnen durch Mütter
Dass
eine Mutter ihren Sohn sexuell missbrauchen kann, ist für viele unvorstellbar. Im Online-Magazin »jetzt« der »Süddeutschen Zeitung« nimmt Kolja
Haaf den Filmstart von »Die Hände meiner Mutter« zum Anlass, sich mit der Frage
zu beschäftigen, warum diese Vorstellung eine größere Befremdung auslöst
als in Fällen des Vater-Tochter-Missbrauchs.
Haaf
stellt eine Erwartungshaltung fest: »Mann missbraucht Frau, oft sogar der Vater
die Tochter. Aber die Mutter den Sohn? Das scheint nicht in unsere Logik zu
passen, so zynisch es klingt.« Jörg Schuh, Mitarbeiter bei einer Anlaufstelle
für Männer, die als Kinder missbraucht wurden, erklärt das folgendermaßen: »Die
Mutter ist die Bezugsperson schlechthin im Leben eines Kindes. Dass diese
Verantwortung missbraucht wird, wollen wir einfach nicht wahrhaben [...]
Außerdem widerspricht es schlichtweg dem klassischen Rollenbild, in dem der
Mann der Täter und die Frau das Opfer ist.« Tatsächlich seien Frauen viel
häufiger Täter, als man vermuten würde, so Schuh. Man spreche von 15 bis 20
Prozent, gehe aber von einer wesentlich höheren Dunkelziffer aus. Neben der
Umkehrung unseres erlernten Rollenbildes gebe es aber noch eine weitere
Erklärung, warum viele auf diese Vorstellung mit so starker Ablehnung reagieren,
die der Psychoanalytiker Dr. Mathias Hirsch ausführt: »Mutter-Sohn-Inzest ist
für unsere immer noch patriarchalische Gesellschaft auch deshalb absoluter
Horror und eines der größten Tabus überhaupt, weil die sexuelle Körperlichkeit
des Missbrauchs als eine unnatürliche Rückkehr des Sohnes zum Körper der Mutter
wahrgenommen wird, den der Sohn eigentlich mit der Geburt und der Stillzeit
hinter sich lässt. Durch diese Rückkehr in die Symbiose und Identifikation mit
der Mutter wird zu einem gewissen Teil verhindert, dass er Unabhängigkeit
entwickelt und zu einem Individuum werden kann.« Hirsch geht ebenfalls darauf
ein, dass bei dieser Thematik Geschlechternormen eine wichtige Rolle spielen: »Es
war lange unmöglich für Männer, Opfer zu sein, Patient zu sein, Schwäche zeigen
zu dürfen. Das ändert sich zum Glück. Es gibt schon viel mehr männliche
Patienten, die sich in Therapie begeben als etwa vor 30 Jahren. Es geht darum,
eine Pseudo-Männlichkeit zu entlarven, die mit Macht und Erfolg versucht,
völlig nachvollziehbare Schwächen zu kaschieren.«
Den vollständigen Artikel können Sie hier
lesen:
www.jetzt.de
Von Mathias Hirsch und zum Thema ist im
Psychosozial-Verlag u.a. erschienen: