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»Der Mutter-Embryo-Dialog« – Ute Auhagen-Stephanos im Gespräch
Psychosozial-Autorin Ute Auhagen-Stephanos
entwickelte einen sprachlichen Therapieansatz, der schon vor und
in der Schwangerschaft die Bindung zwischen Mutter und Kind stärkt. Der
»Mutter-Embryo-Dialog« schafft somit günstige Voraussetzungen für eine gesunde
prä- und postnatale Entwicklung. Im Interview mit Frank Fornaçon für
HEBAMMENinfo spricht die Fachärztin
für Neurologie und Psychiatrie sowie für Psychosomatische Medizin,
Psychotherapie/Psychoanalyse über die Ursachen ungewollter
Kinderlosigkeit, das Trauma der technischen Zeugung und die
psychotherapeutische Begleitung von Frauen mit Kinderwunsch.
Lesen Sie hier das vollständige Interview, unter dem Titel »Im
Gespräch mit dem künftigen Kind – Mutter und Kind die Angst nehmen« erschienen
in HEBAMMENinfo, 22. Jahrgang, Ausgabe 02/2017:
Dr. Ute
Auhagen-Stephanos aus Neu-Ulm wurde durch ihre Anleitung zum Gespräch mit dem
künftigen Kind bekannt. Das HEBAMMENinfo fragte nach den Hintergründen und
Besonderheiten.
HEBAMMENinfo: Adenauer meinte, »Kinder kriegen die Leute
immer«. Das ist jedoch längst nicht mehr so. Zahlreiche Frauen warten
vergeblich auf ein Kind. Was sind die Ursachen?
Auhagen-Stephanos: Zu seiner Zeit hatte er absolut Recht, da
70% der Kinder damals ungewollt oder zu diesem Zeitpunkt nicht gewollt waren.
Unsere Welt ist heutzutage im Ganzen gesehen nicht sehr kinderfreundlich.
Hierzu gehören die erheblichen Umweltverschmutzungen, die Beeinträchtigung der
Trinkwasserqualität sowie mehrere biopsychosoziale Faktoren. Zuerst zu den körperlichen
Faktoren: Die Männer: Die Spermienzahl der Männer ist seit 1960 um die Hälfte
gesunken. Bei ihnen ist der Stress ein Störfaktor, der die Zahl der Spermien
deutlich vermindert. Zudem sind inzwischen viele moderne Gefahrenquellen
bekannt, die die Spermienqualität und damit die Fruchtbarkeit herabsetzen. Wie
epigenetische Muster bei Männern belegen, bewirkt Übergewicht Störungen des
Erbgutes. Für die Spermien schädlich sind ferner: Fahrradsattel, Sauna,
Alkohol, Zigaretten, schlechter Schlaf und die WLAN-Strahlung der Handys in der
Hosentasche.
Außerdem gibt es für fortpflanzungsbereite Paare bei unserem
modernen Lebensstil weniger Fertilitätsfenster, da beide Partner oft an
unterschiedlichen Orten und in unterschiedliche Arbeitskontexte eingebunden sind.
Gemeinsame Entscheidungsprozesse, ob und wann der Nachwuchs geplant werden
soll, verbrauchen wegen der ständigen Ambivalenz und der aktiven Entscheidung,
zunächst die oft langjährig eingenommenen Verhütungsmittel abzusetzen, viel
psychische Energie. Aufgrund der längeren Ausbildungszeiten, der ständigen
Weiterbildung, der teils ungesicherten Arbeitsplätze und der Lust, in
ungebundener Freiheit noch viel zu erleben, schiebt sich das Alter für das
Kinderkriegen von Mann und Frau nach oben.
Bei den Frauen wird
durch die Verschiebung der Altersgrenze nach oben die optimale Fruchtbarkeitszeit
von 18 bis 32 meistens verpasst. Das Durchschnittsalter bei der
Reproduktionsmedizin ist inzwischen auf 33 Jahre gestiegen. Das endokrine
System wird viele Jahre hindurch gegen eine Schwangerschaft geschützt. Es soll
sich dann ganz rasch umstellen. Der Bauchraum von Frauen wird ebenfalls
belastet durch Tubeninfektionen nach wechselnden Geschlechtspartnern und durch
operative Eingriffe wie zum Beispiel Abtreibungen oder Aborte. Da das
Kinderkriegen nicht mehr zu den unbedingten, weiblichen gesellschaftlichen
Aufgaben der Frau gehört, werden die Mädchen nicht mehr von Anfang an auf die
Mutterrolle vorbereitet. Später ist durch Kinder oft die soziale Sicherheit der
Frauen gefährdet. Der entscheidende affektive Zustand bei der Planung des Nachwuchses
ist der Stress im weitesten Sinne. Inzwischen konnte wissenschaftlich
festgestellt werden, dass gestresste Frauen 22% weniger fruchtbar sind als
nicht gestresste. Eigene Traumatisierungen sowie die ihrer Vorfahren – wie
Erlebnisse von Krieg, Flucht, Heimatverlust, Hunger oder Gewalt – spielen dabei
eine wichtige Rolle. Wurden die zukünftigen Mütter ungewollt geboren und/oder
haben deswegen eine schwierige vorgeburtliche Zeit erlebt, kann ihre
Fruchtbarkeit auch durch erhebliche Ängste und depressive Zustände
beeinträchtigt sein.
HEBAMMENinfo: Aber es gibt ja technische Möglichkeiten, dem
Kinderwunsch nachzuhelfen. Was hat sich verändert?
Auhagen-Stephanos: Hier gibt es etliche Möglichkeiten. Die
erste ist die hormonelle Unterstützung oder Stimulation. Mit ihr können
gegebenenfalls die Chancen auf eine Schwangerschaft erhöht werden. Als nächstes
ist die Insemination zu nennen, die im homologen System, aber bei mangelnder
Spermienqualität auch mithilfe eines Samenspenders erfolgen kann. Danach ist
die Befruchtung außerhalb des Mutterleibes, die extrakorporale Befruchtung, zu
nennen. Hier sind zwei technische Verfahren üblich, die IVF
(In-Vitro-Fertilisation) und die ICSI (IntraCelluläre Spermien Injektion). Ein
noch eingreifenderes Schwangerschaftsereignis ist die Eizellspende. Neuerdings
ist auch eine Embryonenspende möglich.
HEBAMMENinfo: Wie wirkt sich die Machbarkeit des
Kinderkriegens auf die psychische Situation der Frauen aus und wie beeinflusst
das ihre körperliche Befindlichkeit?
Auhagen-Stephanos: Unsere Kinder nicht mehr spontan, in
einem Liebesakt zu zeugen, wie alle Generationen vor uns, hat eine große
Auswirkung auf unseren Körper und unsere Psyche. Diese uns und unserer Biologie
fremde Zeugungsart kann bei etlichen Frauen psychosomatische Beschwerden
hervorrufen, die ihrerseits eine Zeugung erschweren können. Hier sind unter
anderem ethische Gründe zu nennen. Einige Frauen zweifeln, ob ihre
Kinderlosigkeit gottgewollt ist, und ob man Gott »einfach ins Handwerk«
pfuschen darf. Oder das Schicksal habe eben Kinder für sie nicht vorgesehen.
Die junge Generation scheint sich eher mit der technischen Befruchtung
anzufreunden. Sie sind häufiger dazu geneigt, der Technik Zutritt zu ihrem
Körper zu gewähren, sogar im Intimbereich. Möglicherweise kennen sie nicht die
historischen und von unseren Großeltern und Eltern noch erlebten Dramen ums
Kinderkriegen oder dessen Versagen. Eine große Rolle spielt die tiefe
narzisstische, schambesetzte Kränkung, einen defekten Körper zu haben und die
Nachkommenschaft nur auf diese unnatürliche Weise empfangen zu können.
Mit jeder fehlgeschlagenen »künstlichen« Befruchtung steigt
die seelische Verletzbarkeit, häufig mit depressiven Selbstwertzweifeln, »nicht
das zu können, was jede Kuh kann!« Mit der Anzahl der negativen IVF-Versuche
steigt die Angst und sinkt das Selbstwertgefühl. Denn das Kinderkriegen ist
eines unserer genetischen Grundprogramme und für viele Sinn des Lebens ›und‹ einer Partnerschaft. Außerdem
wird oft Frausein noch mit Muttersein gleichgesetzt.
Sollte der Partner Ursache der Fruchtbarkeitsstörung sein,
was in fast 50% der Fall ist, kann dies in der Beziehung zu erheblichen
psychischen Spannungen führen. Auch schaffen viele Frauen nicht den
rechtzeitigen Absprung von den Behandlungen im Kinderwunschzentrum. Bei jedem
Zyklus könnte man ja mehr Glück haben – wie bei der Lotterie. Außerdem kann man
dadurch das Ende der Fruchtbarkeitszeit noch ein wenig heraus schieben. Der
endgültige Abschied vom Kinderwunsch benötigt oft eine längere Trauerphase, die
auch therapeutisch begleitet werden kann. Studien zeigen aber, dass die Partnerschaften
ungewollt kinderloser Paare im Alter nicht schlechter sind als die
Partnerschaften derer, die Kinder haben. Jedoch ist das Fehlen von
Großelternschaft manchmal ebenfalls eine bittere Pille.
HEBAMMENinfo: Als eine Ursache ungewollter Kinderlosigkeit
gelten seit langem psychische Probleme. Es leuchtet ein, dass Psychotherapie
hier helfen kann. Aber inwieweit kann Psychotherapie im Falle einer künstlichen
Befruchtung eine Schwangerschaft begünstigen?
Auhagen-Stephanos: Laut der Statistik beträgt die
ausschließliche psychische Ursache des unerfüllten Kinderwunsches lediglich 5%.
Damit sind explizit psychische Krankheiten oder eine
erhebliche Psychopathologie gemeint. Die psychosomatische Grauzone ist sehr
groß. Viele Fruchtbarkeitsstörungen beim Mann und bei der Frau sind nicht
eindeutig zuzuordnen. Hier spielen Ängste und Stress die größte Rolle, gefolgt
von depressiven Verstimmungen und Zwängen. Unter Stress versteht man einerseits
innerseelische Spannungszustände nach posttraumatischen Zuständen, wie z.B.
kindlichem Missbrauch, frühen oder aktuellen familiären Konflikten, schwere
durchlebte Krankheiten, Abtreibungen sowie Tod- oder Frühgeburten. Andererseits
sind hier auch äußere Stressfaktoren, wie Beruf, Partnerschaften, schwierige
Lebensumstände oder akute Notzustände zu nennen. Wie oben beschrieben, ist die
technische Befruchtung als solche schon eine häufige Auslösesituation für
Erregungs- und Spannungszustände. (Das volkstümliche Wort »künstliche
Befruchtung« ist irreführend, denn eine Befruchtung im Sinne einer
Zellvereinigung kann niemals künstlich erzeugt werden.)
Immer häufiger kommen Frauen, die sich einer technischen
Reproduktion unterziehen, ohne ärztlichen Rat von selbst in
psychotherapeutische Behandlung, weil sie sich nicht in der Lage fühlen, ohne
seelische Unterstützung diese Prozeduren durchzustehen. Nach mehreren
fehlgeschlagenen Schwangerschaftsversuchen sind inzwischen auch die Frauenärzte
bereit, eine psychotherapeutische Begleitung zu empfehlen. Die Psychotherapie
bietet den schwanger werden wollenden Frauen ein breites Feld seelischer
Unterstützung. Zuerst ist eine verständnisvolle, vertrauensvolle und geduldige
Beziehung vonnöten, die ein Gegengewicht gegen die fantasierte Allmacht der
Kinderwunschzentren bietet. Schuld- und Schamgefühle können verstanden und
aufgelöst, Ängste vor nochmaligem Scheitern bearbeitet und die seelische Kraft,
die anstrengende und unnatürliche Zeugungsart durchzustehen, gestärkt werden.
Dadurch kann die betreffende Frau wieder zur Expertin ihres eigenen Körpers werden
und muss nicht mehr dem Reproduktionsarzt die Herrschaft über ihn überlassen.
Mithilfe des von mir erarbeiteten Mutter-Embryo-Dialogs
gelingt es der werden wollenden Mutter, von Anfang an – möglichst schon vor der
Zeugung – eine Beziehung zu ihrem zukünftigen Kind herzustellen und
aufrechtzuerhalten. Ein intensives Begehren, dieses Kind in ihrem Leib
aufzunehmen und auszutragen, reduziert die negativen Gefühle wie Ängste und
Stress und stärkt die Fähigkeit der Gebärmutterschleimhaut, einem Embryo die
Möglichkeit zu geben, sich einzunisten. Dies ist besonders wichtig während
einer IVF, da der draußen entstandene Embryo – körperlich entfernt von der Mutter
im Brutschrank des Labors – auf eine »gastfreundlich vorbereitete« Mutter
stoßen sollte. Eine Betroffene, die an ihrer eigenen Fähigkeit, ein Kind zur
Welt zu bringen, zweifelt, kann diese Art von therapeutischer »mütterlicher«
Unterstützung als eine beruhigende, kompetenzsteigernde Hilfe benutzen.
HEBAMMENinfo: Bei einem Vortrag im Jahr 2015 warnten Sie
davor, dass eine künstliche Befruchtung negative Auswirkungen auf die Psyche
des Kindes haben könne. Warum?
Auhagen-Stephanos: Bei einer Befruchtung außerhalb des
Mutterleibes wird der sanfte kontinuierliche biologische Prozess von
Sexualität, Zeugung und Einnistung zerrissen und in verschiedene Teilabschnitte
aufgesplittert. Die Sexualität wird ausgeschaltet, das Kind kann nicht in Liebe
gezeugt werden, die Mutter kann nicht die Erinnerung an einen Liebesakt mit
diesem Kind verbinden. Bereits vor der Konzeption erhält die Mutter chemische
Substanzen, viele Hormone, die ihr Immunsystem beeinflussen. Die Zeugung wird
dem Mutterleib entrissen und findet im Labor statt. Bei der manipulierten
Befruchtung der ICSI wird das Spermium durch eine Laserpipette in die Eizelle
hineingespritzt. Die ersten Tage verbringt der Embryo fern von der Mutter im Brutschrank,
der sozusagen als erste Leihmutter fungiert. Der Embryo wird dann mit einer weiteren
Manipulation in die Gebärmutter transferiert.
Kindertherapeuten können bei technisch gezeugten Kindern
körperliche Traumaspuren diagnostizieren und behandeln. Eine psychologische Studie
von Margarete Berger zeigt, dass sich sowohl IVF-Mütter als auch IVF-Kinder von
einer Vergleichsgruppe spontaner Schwangerschaften unterscheiden. Die
IVF-Kinder zeigen vermehrte psychopathologische Symptome, wie Schlafstörungen, Essstörungen,
Hyperaktivität, Unselbstständigkeit, generelle Ängstlichkeit und
Trennungsangst. Ihre psychische Verfassung scheint instabil zu sein. Die IVF-EItern
sind weniger feinfühlig und reagieren überwiegend sachlich mit hochsignifikant
weniger emotionaler Spiegelung. Es besteht ein wechselseitiges
Einfühlungsdefizit, das sich wohl in der gemeinsamen Beziehungskonstellation
zeigt.
HEBAMMENinfo: Sie weisen darauf hin, dass bei der Geburt
technisch gezeugter Babys häufiger Probleme entstünden als bei solchen, die
spontan gezeugt wurden. Woran liegt das?
Auhagen-Stephanos: Wie schon erwähnt, gilt die technische
Zeugung im Konsens der Pränataltherapeuten als ein Trauma des ersten
Schwangerschaftsdrittels. Der Kindertherapeut Rien Verdult erkennt sie an spezifischen
Haltungen, Bewegungsabläufen oder Verhaltensweisen des Neugeborenen. Technisch
gezeugte Babys erleiden vermehrt Fehlgeburten, Frühgeburten und Kaiserschnitte.
Nach der Geburt treten häufiger Stillprobleme auf, einerseits bedingt durch die
verängstigten und überbesorgten IVF-Mütter, andererseits als Folge einer
gestörten Verbindung des Kindes zu seinem Körper.
HEBAMMENinfo: Wem hilft Psychotherapie in der
Schwangerschaft? Der Mutter, dem Kind oder beiden?
Auhagen-Stephanos: Meine Art der Psychotherapie unter
Einbeziehung des Mutter-Embryo-Dialogs ermöglicht manchmal erst das Leben des
zukünftigen Kindes. Solche Mütter können sich durch die Arbeit mit mir auf ihr
Kind vorbereiten und ihre Gene bezüglich einer Schwangerschaft entsprechend
epigenetisch positiv modellieren. Das bedeutet, dass sie durch eine liebevolle
Aufnahme ihres Kindes von Anfang an die Stresshormone und die Killerzellen
verringern, damit ein günstiges Körperklima in der Gebärmutter schaffen und
dadurch die Chancen einer Einnistung erhöhen. Auch während der gesamten
Schwangerschaft sollte die werdende Mutter in liebevoller seelischer Verbindung
mit ihrem Kind sein und so den Grundstein für seine gesunde körperliche und
seelische Entwicklung schaffen. Der erlernte Abbau der vielfältigen Ängste
nutzt nicht nur der Mutter, sondern auch dem wachsenden Kind. Man kann beide
während der pränatalen Zeit nicht voneinander trennen, da sie eine biologische
Einheit bilden.
HEBAMMENinfo: Was ist das Besondere Ihrer Begleitung von
Frauen mit Kinderwunsch?
Auhagen-Stephanos: Das Besondere meiner Begleitung von
Frauen mit Kinderwunsch ist Folgendes: Mein Hauptaugenmerk liegt auf der
Bindung. Ein Kind kann von Anfang an nicht ohne seine Mutter gedacht werden.
Die Traumatherapeutin und Psychoanalytikerin Renate Hochauf sagt: »Jeder Embryo
ist Bindung. Sie ist ganzheitlich wahrnehmbar von Anfang an. Es gibt keine
Nicht-Bindung!« Gleichzeitig hat der Embryo ab der Zeugung ein implizites
Gedächtnis von Körpersensationen, die man in einer Therapie abrufen kann.
Günstigenfalls kann die werden wollende Mutter schon vor der Zeugung eine
Bindung zu ihrem Embryo imaginieren. Wie der amerikanische Zellbiologe Bruce
Lipton darlegt, sind die Eltern bereits einige Wochen vor der Zeugung als
Gentechniker ihrer Kinder unterwegs, auch wenn sie auf die Mithilfe des
Reproduktionsarztes angewiesen sein sollten. Bei entsprechender
psychotherapeutischer Anleitung kann es ihnen gelingen, mit ihrer Empathie und
Kreativität ihre Schwangerschaft selbstbewusst und erfüllend zu gestalten.
HEBAMMENinfo: Worauf kommt es an, wenn die Mutter mit dem
Baby kommuniziert?
Auhagen-Stephanos: Babys im Mutterleib brauchen Kontakt,
Bestätigung ihres Daseins und Anregung. Die wichtigste seelische Aufgabe der
Mutter ist es, mit ihrem ungeborenen Kind in einer konstanten liebevollen
Beziehung zu sein. Nicht vermeidbare schlimme Zwischenfälle oder
Auseinandersetzungen sollten mit dem Kind erklärend kommuniziert werden, um dieses
nicht in emotionale Erregungen und Ängste zu versetzen, die es dann schuldhaft
verarbeiten würde. Eine wichtige Mitteilung der Mutter an ihr ungeborenes Kind
ist die Feststellung, dass Mutter und Kind zwei unterschiedliche Individuen
sind. Trotz ihrer biologischen Einheit und dem körperlichen und seelischen
Einfluss der Mutter auf das Ungeborene darf es zu keiner Verwirrung oder Fusion
zwischen beiden kommen.
HEBAMMENinfo: Wie reagieren Frauen auf das Angebot einer
speziellen Therapie?
Auhagen-Stephanos: Nicht alle Frauen, denen ein solches
Angebot gemacht wird, erscheinen in meiner Praxis. Sie haben möglicherweise
Angst vor Kränkung, Scham, Hilflosigkeit, vor schlechten Gefühlen oder dem
Zusammenbrechen eines mühsamen Gleichgewichts. Von meinen Patientinnen kommen
manche aus Neugier, manche aus tiefen Nöten heraus. Natürlich gibt es Frauen,
die diese Offenlegung ihrer Motive oder ihrer eingeschränkten emotionalen
Fähigkeiten nicht möchten und die dann fernbleiben. Viele sind dankbar für den
emotionalen Zugewinn an Kontaktfähigkeit, Freude, Erfahrung, Bindung und Entängstigung.
Sie fühlen sich bereichert um eine wichtige Erfahrung in ihrem Leben. Dies gilt
ebenfalls für Frauen, denen es nicht gelingt, ein Kind auf die Welt zu bringen,
die aber nun mit ihrer Trauer anders umzugehen verstehen.
HEBAMMENinfo: Sie unterstützen Frauen auch darin, das Risiko
von Fehlgeburten zu vermeiden? Wie geht das?
Auhagen-Stephanos: Natürlich gibt es somatische Ursachen für
eine Fehlgeburt, wie zum Beispiel genetische Defekte des Embryos, mangelnde
Versorgung des Föten im Uterus, genetische Auffälligkeiten der Eltern oder eine
Muttermundsschwäche. Bei vielen Fehlgeburten findet man jedoch keine
biologische Ursache. Nach meiner Erfahrung liegen hier oft unbewusste seelische
Konflikte der werdenden Mutter vor. Eine Studie konnte zeigen, dass
Psychotherapie die Häufigkeit von Fehlgeburten deutlich verringert. In dieser
erhielten Frauen mit vorangegangenen Fehlgeburten zehnmonatliche psychotherapeutische
Gespräche, die entsprechende Vergleichsgruppe erhielt keine. Während die Frauen
der Psychotherapiegruppe keine weitere Fehlgeburt erlitten, stieß dies der
Hälfte der Frauen der Vergleichsgruppe zu. Die Kurztherapie erlebten die Frauen
als wichtige Anerkennung ihrer emotionalen Belastung, als Minderung ihrer
ambivalenten Gefühle aufgrund innerer negativer Mutterfiguren und als Abbau
teils unbewusster, teils bewusster Ängste.
Als gesichert gilt, dass bereits starke Angstzustände, unter
anderem durch Uteruskontraktionen und Ausschüttung von Stresshormonen, eine
Fehlgeburt verursachen können. Eine große Rolle spielt dabei das Immunsystem.
Emotionale Zustände können – wie vielfach bewiesen – den pränatalen Raum
beeinflussen. Die im Thymus gebildeten spezifischen T-Lymphozyten, die
sogenannten Killerzellen, wirken während der gesamten Schwangerschaft auf den
Embryo und den Föten ein, der zur Hälfte aus fremdem Gewebe besteht. Alle
positiven Empfindungen sind eine wirksame Waffe gegen diese Zellen. Die Mutter
muss durch ihre innere bejahende, liebende Haltung die Ammen- oder Helferzellen
aktivieren, die den Killerzellen entgegentreten. Freude anstelle von Ängsten
verändert die Physiologie des gesamten Organismus. In der Schwangerschaft
können vielfältige Ängste auftreten: Ängste, das Kind zu verlieren, etwas
Fremdes im eigenen Körper zu haben, die Kontrolle über den eigenen Körper zu
verlieren, Ängste vor Abhängigkeit und der Zukunft, vor der Unfähigkeit, eine
gute Mutter zu sein, vor der Geburt und vor Schwangerschaftskomplikationen.
Hier spielen besonders die Erfahrungen bei der eigenen Geburt eine große Rolle.
Haben Frauen eine schwere eigene Geburt oder eine perinatale Nahtoderfahrung
erlebt, fürchten sie unbewusst, dass die Geburt ihres Kindes, mit dem sie
identifiziert sind, ebenfalls eine Todesbedrohung für dieses oder für sie
selbst bedeutet.
HEBAMMENinfo: Hebammen haben ein besonderes
Vertrauensverhältnis zu den Frauen, die bereits schwanger sind. Welche ihrer
Erkenntnisse sind für Hebammen besonders bedeutend?
Auhagen-Stephanos: Die Hebammen, die ich bisher kennengelernt
habe, sind sehr einfühlsam, unterstützend und bieten den Schwangeren eine große
emotionale Sicherheit. Mein Hauptanliegen an die Hebammen: Sie sollten den
Schwangeren immer wieder die Wichtigkeit der Bindung zwischen ihnen und dem
vorgeburtlichen Kind bewusst machen und ihnen Möglichkeiten aufzeigen, wie man
diese Bindung stärken und lustvoll ausbauen kann. Vielleicht können sie die
Schwangeren dazu motivieren, mit ihren Babys im Bauch laut zu sprechen und zu
spielen. Ganz wichtig ist auch die Einbeziehung des Vaters in die Welt von
Mutter und Kind von Anfang an, sodass schon vorgeburtlich eine fördernde
Dreierbeziehung hergestellt werden kann.
Eine tragfähige Beziehung zwischen Mutter und Kind ist
gleichermaßen wichtig für Frauen, die erstmals oder wieder schwanger werden
möchten. Hierfür ist meine Doppel-CD »Mutter-Embryo-Dialog«, die im Handel
erhältlich ist, eine gute Hilfe. Diese Anleitung zur Kommunikation mit dem
vorgeburtlichen Kind ist in der gesamten Schwangerschaft unterstützend
begleitend. Frauen, die keine psychotherapeutische Hilfe benötigen, sind
bereits nach dem Hören meiner CD und dem Einüben des Inhalts spontan schwanger
geworden, wovon einige Dankesbriefe an mich zeugen.
Die Hebammen sollten jedoch die Macht von Ängsten während
der Schwangerschaft nicht unterschätzen, die Belastung bei diesen
hilfesuchenden Frauen spüren und sie in diesem Fall auf die Notwendigkeit
psychotherapeutischer Unterstützung hinweisen.
Das Buch im
Psychosozial-Verlag: