4. bis 6. Mai 2023 (Berlin)
2023-05-04 - 2023-05-06
Jahrestagung der IPU Berlin: Trieb und Methode. Psychoanalytische Perspektiven in der qualitativen Forschung
Die Jahrestagung der IPU Berlin wird sich qualitativen Methoden in der psychoanalytischen Kultur- und Sozialforschung widmen.
Für Sigmund Freud waren die vielfältigen Anwendungsmöglichkeiten der Psychoanalyse auch jenseits der Couch unstrittig: »Der Gebrauch der Analyse zur Therapie der Neurosen ist nur eine ihrer Anwendungen; vielleicht wird die Zukunft zeigen, dass sie nicht die wichtigste ist«. Im Gefolge seiner kulturkritischen Studien entstanden unter anderem ethnologische und religionskritische Untersuchungen. Die Frankfurter Schule griff psychoanalytische Konzepte und methodische Elemente in ihren Studien zu Antisemitismus und Autoritarismus auf. Die subjektiven Triebdynamiken wurden darin als Verarbeitungen sozialer Krisenphänomene betrachtet, die es mittels psychoanalytischer Modelle aufzuschließen galt.
Mit der Ausarbeitung der Tiefenhermeneutik legte Alfred Lorenzer einen im deutschsprachigen Raum einflussreichen Beitrag zur ›Kultur-Analyse‹ vor. Aus dem methodologischen Programm der Tiefenhermeneutik ist ein variantenreiches Spektrum von Ansätzen hervorgegangen, in denen Aspekte wie szenisches Verstehen, freies Assoziieren, Textauswertung, Gegenübertragungsanalyse und Gruppenauswertungsformate unterschiedlich stark Berücksichtigung finden. Einflussreich ist hier die These Georges Devereux’, dass die Verwendung überformalisierter Methoden der Abwehr von Ängsten in der Auseinandersetzung mit einem Forschungsgegenstand dienen kann. Mit der objektiven Hermeneutik Ulrich Oevermanns ist wiederum ein Analyseverfahren entwickelt worden, das die latente Fallstruktur mittels präziser Textinterpretationen erfahrungsnah zu rekonstruieren versucht und dabei auch auf psychoanalytische Begrifflichkeiten zurückgreift.
Heute existiert eine große Vielfalt von Ansätzen, mit Hilfe psychoanalytischer Konzepte und in Anwendung psychoanalytischer Methoden soziale und kulturelle Problemfelder zu untersuchen. Diese unterschiedlichen Spielarten qualitativer Interpretationsverfahren stehen im Spannungsfeld zwischen assoziativen und textnahen, (gegen)übertragungsfokussierten und strukturalistischen Analyseansätzen. Unabhängig von ihrer Orientierung eint sie die Intention, etwas vom Unbewussten im »Abhub der Erscheinungswelt« (Freud) zu benennen. Die je gewählte Perspektivierung von Themenbereichen führt Annahmen darüber mit, was das Unbewusste und wie und wo es zu entdecken sei. Nur selten wird aber der Begriff vom Unbewussten expliziert. So soll auf der Tagung auch die Frage danach im Fokus stehen, welche Annahmen über unbewusste Prozesse in ihrem Verhältnis zu Kultur und Gesellschaft in der qualitativ-psychoanalytischen Forschung jeweils impliziert sind.
Die Tagung richtet sich an ein psychoanalytisches und kultur- und sozialwissenschaftlich interessiertes Fachpublikum. Wissenschaftler*innen der IPU werden gemeinsam mit eingeladenen Expert*innen auf dem Gebiet der psychoanalytischen Kultur- und Sozialforschung ihre Ansätze und Forschungsarbeiten präsentieren. Im Rahmen von Workshops können junge Wissenschaftler*innen ihre Forschung vorstellen und diskutieren. Den Abschluss bildet eine Podiumsdiskussion, auf der die präsentierte Bandbreite methodologisch-methodischer Ansätze auf der Tagung diskutiert und der Frage nach der kritischen Ausrichtung der psychoanalytischen Sozial- und Kulturforschung nachgegangen werden soll.
Veranstaltungstermin:
4. bis 6. Mai 2023
Veranstaltungsort:
Internationale Psychoanalytische Universität Berlin gGmbH
Stromstr. 1
10555 Berlin
Weitere Infos und Anmeldung:
www.ipu-berlin.de