Sozialwissenschaften/Soziologie
Die vergessenen Säuglingsheime
Häufiger als bisher angenommen waren Babys und Kleinkinder in der Nachkriegszeit in Säuglingsheimen untergebracht, manche monate- oder sogar jahrelang. Wegen unpräziser Einweisungskriterien hatten die Behörden große Handlungsspielräume; entsprechend stark wirkten sich die damaligen Moralvorstellungen aus. Weil sich die Betroffenen kaum an ihre Zeit in den Heimen erinnern können, rekonstruiert Felix Berth anhand von Archivmaterial und damaligen wissenschaftlichen Untersuchungen die Lebensbedingungen in den Säuglingsheimen. Betroffene kommen in Interviews zu Wort und schildern ihre heutige Sicht auf die Zeit im Heim. [ mehr ]
Tröstliche Tropen
Schweitzer war ein ethischer Popstar der jungen Bundesrepublik. Tausende Schulkinder schrieben Briefe an den »Urwalddoktor«. Sein legendäres Spital »Lambarene« avancierte zum symbolisch aufgeladenen Ort eines Heilungsgeschehens. Exemplarisch zeigt sich an diesem Mythos eine Suche nach Bewältigung untilgbarer Schuld, entstanden durch die Shoah. Fetscher beleuchtet jenen Aspekt der Großgruppenpsyche der Bundesdeutschen nach 1945. Im Kontrast erkundet sie das zeithistorische Lambaréné in Äquatorialafrika. Erst die postkoloniale Perspektive offenbart die Kluft zwischen Fiktion und Faktizität. Deutlich wird die Dynamik der Projektionen auf ein imaginäres Afrika. [ mehr ]
Autoritäre Dynamiken in unsicheren Zeiten
Welche Auswirkungen haben aktuelle Entwicklungen wie Klimawandel, COVID-19-Pandemie und der Angriffskrieg Russlands auf die politische Kultur und Gesellschaft der Bundesrepublik? Auf Grundlage der Ergebnisse der seit 2002 zum elften Mal durchgeführten repräsentativen Bevölkerungsumfrage zeigen die Autorinnen und Autoren der Leipziger Autoritarismus Studie, wie die Deutschen diese unsicheren Zeiten wahrnehmen, wie sich ihre Krisenwahrnehmung auf die politische Einstellung im Allgemeinen und auf autoritäre Dynamiken im Besonderen auswirkt. [ mehr ]
psychosozial 170: Indien-Bilder
Mit dem britischen Kolonialismus und Imperialismus kam seit dem 18. Jahrhundert neben Persien und China vor allem Indien, dem »Juwel in der britischen Krone«, eine zentrale, auch psychologische Rolle in der Entwicklung eines breiteren europäischen Selbstverständnisses zu. Waren einige prominente Gelehrte fasziniert von vermeintlichen linguistischen, mythologischen und philosophischen Verwandtschaften zwischen Europa und Indien, so waren viele Missionare und Politiker vor allem bemüht, die europäische Herrschaft über den indischen Subkontinent und seine riesige Bevölkerung durch Strategien der Infragestellung und pauschalen Abwertung indischer Kulturleistungen zu legitimieren. Wie die einzelnen Beiträge illustrieren, zeigen sich in der Auseinandersetzung mit dem, was den einen verwandt und vertraut, den anderen fremd und abartig erscheint, neben Brüchen auch Kontinuitäten, deren Untersuchung von interdisziplinärer aber auch psychosozialer Relevanz ist. [ mehr ]
Junge Männer und ihre Gesundheit
Der fünfte Deutsche Männergesundheitsbericht stellt die Ergebnisse einer repräsentativen Befragung von 16–28 Jahre alten jungen Männern in Deutschland vor und liefert Informationen zu der Frage, wie es um die körperliche und psychische Gesundheit von jungen Männern im Vergleich zu der junger Frauen bestellt ist. In einem zweiten Schritt ordnen die Autor*innen die Ergebnisse der Studie aus interdisziplinärer Perspektive (Medizin, Psychologie, Soziologie etc.) ein und liefern so Wissenschaft, Politik und der interessierten Öffentlichkeit Anhaltspunkte für gezielte Unterstützung gesundheitsförderlichen Verhaltens. [ mehr ]
Verschwörungsdenken
Verschwörungsdenken verweist auf die Bereitschaft, verborgenes Wirken einer geheim operierenden, übermächtigen Gruppe anzunehmen. Damit ist auch eine Wahrnehmungs-/Deutungskultur bezeichnet, in der man sich die Welt entsprechend aneignet, um eine weitgehend ohnmächtig erfahrene Realität erklären zu können. Denken in »Verschwörungen« und sein Wirkungspotenzial in tatsächlichen wie vermeintlichen Krisen ist Symptom wie Katalysator gesellschaftlich-politischer Entwicklungen. Multidisziplinär gehen die Autor*innen dem Phänomen auf den Grund und entfalten eine kritische sozialpsychologisch und gesellschaftstheoretisch orientierte Aufklärung des Verschwörungsdenkens. [ mehr ]
Wilhelm Reich - Erforscher des Lebendigen
Was ist Leben? Diese Frage prägte das Forschen des österreichischen Psychoanalytikers und Arztes Wilhelm Reich (1897–1957) zeit seines Lebens. Reichs enger Mitarbeiter Myron Sharaf zeichnet in seiner Biografie ein umfassendes Bild des Menschen Wilhelm Reich. [ mehr ]
Annäherungen an eine neue Aufklärung
Wie kann der Dialektik von Exklusion und Inklusion mit demokratischen Strukturen begegnet werden? Wie können Wirklichkeitsspaltungen aufgedeckt werden? Wie kann Inklusion als Gesellschaftsprojekt realisiert werden? Diese und weitere Fragen beantworten die Autor*innen aus einer multidisziplinären Perspektive, die sozialwissenschaftliche, (sozial-)politische, entwicklungsbezogene, psychodynamische und theologische Zugänge umfasst. Sie bieten Annäherungen an und theoretische Begründungen für eine neue Aufklärung, die untrennbar mit Freiheit, Gleichheit, Mündigkeit und Solidarität verbunden ist. [ mehr ]
Sozioanalyse - Zur Psychoanalyse des Sozialen mit Pierre Bourdieu
Mit seinem Konzept der Sozioanalyse hat Pierre Bourdieu Zugänge zu gesellschaftlichen Formen der Unbewusstheit entwickelt, die für zeitgenössische Fragestellungen von besonderer Bedeutung sind. Vera King legt dar, wie er auf psychoanalytische Epistemologie und Konzepte sowie auf Begriffe des Unbewussten zurückgreift. Darüber hinaus veranschaulicht sie, wie soziale und psychische Dynamiken ineinandergreifen können.
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Vom Dringlichen und vom Grundsätzlichen
Joachim Küchenhoff zeigt, wie sich die kritische Theorie der Psychoanalyse in verschiedenen Wissens- und Lebensbereichen anwenden lässt. Dabei nimmt er grundsätzliche existenzielle, religionswissenschaftliche und erkenntnistheoretische Fragen in den Blick und verbindet sie mit aktuellen gesellschaftlichen und kulturellen Herausforderungen.
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Climate Emotions
Die Klimakrise und das Artensterben sind für viele Menschen psychisch belastend. Durch sie ausgelöste Gefühle wie Wut, Angst, Trauer, Hoffnung oder Schuld können zu umweltfreundlichem Verhalten und politischem Handeln motivieren, beidem aber ebenso im Weg stehen.
Die Autor*innen bieten konkrete Umsetzungsideen und Handlungsmöglichkeiten für den beruflichen Alltag im psychosozialen Bereich. Sie beleuchten aktuelle Debatten, stellen Interventionsmöglichkeiten zum Aufbau von Resilienz vor und diskutieren berufsethische und gesellschaftspolitische Aspekte. [ mehr ]
Verletzungspotenziale
Seit der »neoliberalen Wende« ab den 1970er und 1980er Jahren verändern sich soziale und individuelle Verletzbarkeiten. Die Autor*innen des interdisziplinär angelegten Bandes zeigen, wie stark Optimierungsformen und Vulnerabilitäten verschränkt sind und moderne Gesellschaften prägen. [ mehr ]
psychosozial 169: Erinnerung im Widerspruch - Psychologie, Repression und Aufarbeitung (in) der DDR
Die DDR ist Geschichte, doch die Erinnerung an sie bleibt lebendig, widersprüchlich und konfliktgeladen. Diese Widersprüchlichkeit geht nicht nur auf die unterschiedlichen biografischen Hintergründe der Menschen zurück, die in der DDR lebten, sondern beruht auch auf einer stetigen Weiterentwicklung in der öffentlichen Erinnerungskultur in Deutschland nach 1989. Die Autor*innen des Themenschwerpunktes setzen sich aus unterschiedlichen wissenschafts- und sozialgeschichtlichen Perspektiven mit den Widersprüchen in der Erinnerung an die DDR auseinander. [ mehr ]
Fehlendes Endlichkeitsbewusstsein und die Krisen im Anthropozän
Die Beiträger*innen ermöglichen einen transdisziplinären Blick, der den Zusammenhang gegenwärtiger Krisen wie Umweltzerstörung, Ressourcenverbrauch, Klimawandel und soziale Verwerfungen mit einem fehlendem Endlichkeitsbewusstsein erkennbar macht. Sie regen zur Auseinandersetzung mit der eigenen Endlichkeit an und bieten Ansätze zur gesellschaftlichen und politischen Veränderung.
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Sterbehilfe in Belgien
Seit 2002 ist die aktive Sterbehilfe in Belgien unter bestimmten Voraussetzungen gesetzlich zulässig. Die Entkriminalisierung der Sterbehilfe hatte zum Ziel, die Selbstbestimmung Todkranker in den Mittelpunkt zu stellen. Mit der steigenden Verbreitung in den vergangenen 20 Jahren ist sie zunehmend zu etwas »Normalem« geworden. Dieser »Normalität« stellen sich Mediziner*innen und Pflegekräfte aus verschiedenen Fachbereichen, wie Onkologie, Palliativversorgung, Psychiatrie, entgegen. [ mehr ]
Gefühle machen Politik
Gefühle dienen als Motivationskraft und stiften in kollektiv geteilter Form Beziehung und Nähe zu anderen Menschen oder dienen der Abgrenzung von feindlichen Gruppen. An zahlreichen Beispielen aus aktuellen politischen Auseinandersetzungen erläutert der Autor, wie Gefühle politisches Handeln beeinflussen, und wie mit Gefühlen Politik gemacht wird. [ mehr ]
Freie Assoziation - Zeitschrift für psychoanalytische Sozialpsychologie 1/2022: Virtually Gendered
Diese Ausgabe der Freien Assoziation geht den Potenzialen bzgl. der Frage von Geschlechterverhältnissen und -inszenierungen nach und lotet die Ambivalenzen des Mediums aus. In den zwei Haupttexten geht es um sehr unterschiedliche Formen der Identitätskonstruktion und Interaktionsprozesse in digitalen Räumen, in beiden aber gleichermaßen um geschlechtliche Inszenierungen, Skripte, in interaktiven medialen Formen. [ mehr ]
Unmasking Diversity Management
Diversity ist als Begriff und Konzept allgegenwärtig. Während es zunächst darum ging, die Interessen sozial benachteiligter Gruppen zu berücksichtigen, sollte Diversity Management auch dazu beitragen, die vielfältigen Leistungen und Erfahrungen unterschiedlicher Menschen als Potenzial zu begreifen und zu nutzen. Doch kann die alltägliche Praxis des Diversity Managements diese originären Ziele noch halten – und konnte sie es je? Johanna Degen analysiert aus kritisch-sozialpsychologischer Perspektive die gelebte Praxis in der deutschen Wirtschaft anhand von Expert*inneninterviews. [ mehr ]
Pränataldiagnostik und das Recht auf Inklusion
Inklusion ist ein Ideal, das vielfach angestrebt und eingefordert wird. Doch wie lässt sich von einer gleichberechtigten Teilhabe am Leben sprechen, wenn behindertes Leben in unserer Gesellschaft von Anfang an, noch vor der Geburt bedroht ist? [ mehr ]
Psychoanalytische Pädagogik und Soziale Arbeit
Die Autor*innen zeichnen Entwicklungslinien und theoretische Konzepte der Psychoanalytischen Pädagogik und Sozialen Arbeit nach und stellen anhand von Fallbeispielen grundlegende Konzepte für den praktischen Arbeitsalltag vor. Sie ermutigen Fachkräfte dazu, sich Freiräume zum Nachdenken zu schaffen, um ihre Klient*innen und deren Lebensrealitäten, Beziehungssituationen sowie eigene Vorannahmen besser zu verstehen. [ mehr ]