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Buchreihe: Psyche und Gesellschaft
216 Seiten, Broschur, 148 x 210 mm
Erschienen: März 2007
ISBN-13: 978-3-89806-588-7
Bestell-Nr.: 588

Mit einem Vorwort von David Becker
Leseprobe

Nach dem bewaffneten Kampf

Ehemalige Mitglieder der RAF und Bewegung 2. Juni sprechen mit Therapeuten über ihre Vergangenheit

Sofort lieferbar. Lieferzeit (D): 4-5 Werktage

1996, nach einem Seminar mit David Becker im Michael-Balint-Institut Hamburg, entstand eine ungewöhnliche Gruppenarbeit und soweit bekannt, die einzige ihrer Art in der BRD: Ehemalige Mitglieder der RAF, Bewegung 2. Juni und Frauen aus der Unterstützerszene trafen sich fast 7 Jahre lang für mehrere Wochenenden mit Psychoanalytikern und Psychotherapeuten, um über sich, ihre Beziehungen untereinander, ihre Haftbedingungen, ihr Verhältnis zur Gesellschaft und über ihre Politik zu sprechen. Danach setzte sich jeder für sich noch einmal in Schriftform mit dem gemeinsam Erlebten auseinander. Entstanden sind sehr persönliche, intellektuell differenzierte und politisch reflektierte, hoch spannende Beiträge, die in ihrer Gesamtheit einen guten Einblick in die Denk- und Fühlstrukturen der Einzelnen und des gemeinsamen Prozesses geben.

Mit Beiträgen u.a. von Monika Berberich, Karl-Heinz Dellwo, Knut Folkerts, Roland Mayer, Ella Rollnik, Irene Rosenkötter sowie Volker Friedrich, Angelika Holderberg und Lothar Verstappen

Mit einem Vorwort von David Becker


Inhalt

David Becker:

Vorwort

Angelika Holderberg:
Begegnungen, Berührungen, Reflexionen.
Psychoanalytisches Verstehen eines Prozesses mit ehemaligen Mitgliedern der RAF, Bewegung 2. Juni und Unterstützergruppen

Volker Friedrich:
Von der Härte, wieder zurückzukommen aus dem Kampf.
Stationen und Bilder einer Begegnung: September 1996–August 2003

Lothar Verstappen:
Inne(n)halten

Karl-Heinz Dellwo:
Kein Ankommen, kein Zurück

Monika Berberich:
Erfahrungen in der Gruppenarbeit mit Psychotherapeuten.
Gerüst

Knut Folkerts:
Warum ich immer wieder zu den Treffen gekommen bin

Ella Rollnik:
Nach dem bewaffneten Kampf

Roland Mayer:
Streiten können

NN:
Reparaturarbeiten

Irene Rosenkötter:
Das Wir, das Ihr und das Ich

NN:
Eine von denen draußen …

Karl-Heinz Dellwo:
Historischer Abriss/Unvollständige Chronologie der Ereignisse mit Schwerpunkt auf die Zeit von 1967 bis 1980


»Das Buch gibt einen Eindruck von dem, wie und was die ehemaligen Gefangenen fühlten und heute noch fühlen, wie sie ihre politische Vergangenheit beurteilen und was sie vom Leben erwarten und erhoffen, auch wie sie Gegenwart und Zukunft dieses Landes sehen. Alle betonen, die Berechtigung des politischen Aufbruchs, von dem sie ein Teil waren. Differenzen sind in Sicht auf die Art und Weise, wie dieser gewagt wurde, zu erkennen. Niemand von ihnen macht es sich dabei leicht. Häufig klingt aus den Gesprächen, Geständnissen und Bekenntnissen eine große Traurigkeit heraus – vor allem über die Sprachlosigkeit untereinander  ...«

Peter Nowak, Neues Deutschland, Beilage zur Leipziger Buchmesse 22. bis 25. März 2007

»Die Texte sind keine abschließenden Analysen, sondern eine Mischung aus persönlichen Stellungnahmen und Reflexionen über die Politik der RAF und das Verhalten des deutschen Staates. Nach einer jahrelangen Behandlung der RAF als Klischee und Projektion wird nun ein Vermenschlichungsprozeß geschildert, der sowohl in der Auseinandersetzung in der RAF als auch um die RAF lange gefehlt hat. Sie haben die Inhalte, die sie miteinander diskutierten, dahin zurückgeführt, wohin sie hingehören, nämlich in die Gesellschaft  ...«

Sonja John, Scheinschlag 3/07

»Das Buch bietet elf Einsichten in die Prozesse der über sieben Jahre aufrecht erhaltenen Treffen und darüber hinaus in Prozesse, die in der RAF abgelaufen sind. Dies sind ganz individuelle Einsichten, ganz persönliche Gedanken, Gefühle und Erkenntnisse. (...) Als Leser empfindet man manches als unzureichend oder zu abstrakt und unpersönlich besprochen. Das kann man sicher kritisieren, tut dem Buch als Dokument einer Geisteshaltung, einer Entwicklung und auch eines Stückes Zeitgeschichte jedoch keinen Abbruch. Zudem wird vieles auch differenziert und ehrlich dargestellt. Und so ist das Fehlen einer eindeutigen persönlichen Anerkennung von Schuld eben auch als ein solches Fehlen zu lesen, als etwas, das offen bleibt, etwas, das fehlt  ...«

Katja Maria Weinl, Media-Mania.de

»Die Entstehung dieses Buches ist ungewöhnlich und entspricht nicht den Konventionen üblicher Vorgehensweisen. Dies ist dem Buch ganz sicher nicht schlecht bekommen, im Gegenteil – als Zeitzeugnis reicht es über die Bedeutung der 30-jährigen Selbstvergewisserung heraus. (...)
Wenn auch die RAF politisch gescheitert sein mag, so ist der Anspruch, im Kampf für eine bessere Welt sich selbst zu befreien, so aktuell wie damals. Auch wenn dieser positive Schluß im allseitigen Forschen nach den Problemen zu kurz gekommen sein mag, so steckt hierin vielleicht eine der Botschaften dieses auf jeden Fall lesenswerten Bandes. Was hierin an Prozessen und Erkenntnissen unfertig aufgeschrieben wurde, ermöglicht es den Leserinnen und Lesern, darüber hinaus zu denken
 ...«

Walter Kuhl, Waltpolitik.de

»Nicht minder aufschlußreich, aber wegen der manchmal verquasten Ausdrucksweise schwerer zu lesen, ist ein Band mit Beiträgen ehemaliger Mitglieder der RAF und der Bewegung 2. Juni  ...«

, Hessische, niedersächsische Allgemeine, 17.11. 2007

»In den Texten entfaltet sich ein vielschichtiges Bild, das den Leser schließlich mit dem Gefühl zurücklässt, sehr viel besser als in den politischen Analysen ex cathedra verstanden zu haben, worum es im deutschen Terror ging und wie oberflächlich die ›Gnade für Gnadenlose?‹-Debatten sind  ...«

Wolfgang Schmidbauer, Psychologie Heute 08/2007

»Der Sammelband, der durch die Debatte um ein abgelehntes Gnadengesuch
des inhaftierten Exterroristen Christian Klar zusätzliche Aktualität bekommt, verrät viel über die emotionalen Achterbahnfahrten und die schwierigen Wege der Selbsterkenntnis aller Beteiligten
 ...«

Tom Schimmeck, profil

»(...) Tausende von Seiten sind bereits bedruckt worden, um Analysen des Phänomens Rote Armee Fraktion zu liefern, hier findet sich die erste, in der deutsche Terroristen, Psychoanalytiker und Therapeuten gemeinsam ihre sieben Jahre währende Arbeit in einer Gruppe beschreiben. (...)
(...) So bleibt dieser Bericht nicht nur aufgrund der analytischen Selbstbeschränkungen, der Anonymisierungen sowie der bewusst ausgesparten, da bis heute strafrechtlich relevanten Fakten ein embryonisches Buch, das passagenweise selbst zum Symptom dessen wird, womit es sich befasst. (...)
 ...«

Caroline Fetscher, Der Tagesspiegel

»Als das Buch verfasst wurde, war die Debatte um Brigitte Mohnhaupt und Christian Klar nicht absehbar. Dennoch liest es sich wie ein Kommentar dazu. Gefangenschaft, Sonderhaftbedingungen und Isolation machen eine Selbstdistanzierung – die notwendige Voraussetzung für Reflektion und Reue – unmöglich. Der Glaube an die Sache, an die Gemeinschaft im Terror und das eitle, ja narzisstische sich für etwas Besseres halten waren in Stammheim, Celle und Bruchsal schlechterdings überlebensnotwendig  ...«

Jan Bosschaart, Märkische Allgemeine

»Viel ist darin die Rede von eigenen Traumatisierungen, von Wut, Enttäuschung, Zorn, Trauer und Furcht, vom durch Misstrauen und Rigidität geprägten Klima innerhalb der RAF-Kommandos, von der Unfähigkeit zu Freundschaft und Selbstkritik. Dem Leser begegnet der hybride Begriff »Opfer- Täter«, geprägt allerdings nicht von den Ex-Terroristen als Beschreibung ihrer selbst, sondern von einem Therapeuten  ...«

Joachim Güntner, Neue Zürcher Zeitung

»Knut Folkerts und Roland Mayer äußern sich in dem Buch »Nach dem bewaffneten Kampf«: »Ich habe Abstand gewonnen«, sagt Folkerts. »Es geht mir nicht um Schuld und Vorwürfe, sondern um Erkenntnis. Ich will eine Haltung zur Vergangenheit finden, mit der ich leben kann.« Mayer wird konkreter: »Das Projekt RAF ist gescheitert, vieles daran war falsch, manches unentschuldbar. Dennoch war der Versuch in dieser Welt richtig.«  ...«

Barbara Nazarewska, Münchner Merkur

»Gerade ist ein Buch erschienen, das ein Stück Einblick gibt in diese Gefangenheit. Ehemalige Mitglieder und der »Bewegung 2. Juni« haben sich sieben Jahre lang, von 1996 bis 2003, regelmäßig mit Psychoanalytikern und Therapeuten getroffen. »Nie zuvor hatte ich in einer Gruppe soviel gegenseitige Entwertung und so wenig empathisches Mitschwingen erlebt«, schreibt die Psychoanalytikerin Angeloka Holderberg über diese Treffen. »Gruppen- und Denknormen schienen wie ein sehr strenges Über-Ich zu funktionieren, das jede Unkorrektheit streng bestrafte.« In den ganzen sieben Jahren gelang es den Teilnehmern zwar, teilweise mit dem Mythos eigenen Heldentums aufzuräumen. Über ihre Schuld aber sprachen sie kein einziges Mal. Karl-Heinz Dellwo schreibt offen, dass es in der RAF keine Freundschaften gegeben habe, und er lässt die kalte Herabsetzung ahnen, mit der die »Stammheimer« jeden bestraften, der eigene Gedanken aussprach  ...«

Kerstin Witte-Petit, Die Rheinpfalz am Sonntag

»Ein Werk mit sehr unterschiedlichen Beiträgen. Es sind teils sehr persönliche, intellektuell differenzierte und politisch reflektierte Texte – Einblicke in eine bislang nach außen streng abgeschirmte innere Welt des politisch motivierten Terrorismus. Um im Bild von Karl-Heinz Dellwo zu bleiben. Es sind die Reporte aus der Raumstation  ...«

Wolfgang Gast, TAZ Magazin

»Das Problem besteht nun darin, daß die im Buch versammelten Beiträge der weiterdiskutieren wollenden Ex-Militanten in ihrer Mehrzahl auch nicht besonders überzeugend geraten sind. Sie lesen sich überwiegend wie die Abschlußberichte der Besucher eines Blockseminars an der Uni – starke, undeutliche Gefühle und wenig Ringen um Begrifflichkeit oder gar politische Analyse. Vieles, was angesprochen wird, klingt nachvollziehbar: Das Leiden an Hierarchisierung, Konditionierung, Mythologisierung, Militarisierung. »Es wäre zuviel zu verdrängen, um nicht krank davon zu werden« (Folkerts). Unklar bleibt nur, was da, abgesehen von einer großen Unzufriedenheit ob dem Eingeständnis, politisch wie sozial gescheitert zu sein, nicht verdrängt werden soll? Es gibt keine Beispiele, Stories, Ableitungen, sondern nur allgemeine Schlagworte, die aber auch nicht (mittels politischer, psychologischer oder poetischer Literatur) weitergedacht werden. Selbst die Haftbedingungen bleiben fast vollständig unerwähnt. Alles ist derart auf persönliche Meinungen beschränkt, daß man sich persönlich darunter kaum etwas vorstellen kann  ...«

Christof Meueler, Junge Welt Nr.69

»In diesen Stellungnahmen der Ex-Gefangenen nehmen persönliche Auseinandersetzungen untereinander, gegenseitiges Misstrauen, Enttäuschungen, Wut, Hass und Verzweiflung großen Raum ein. Die Unterschiedlichkeit der Texte ist auch die Stärke des Buchs. Es liefert eine vielschichtige Innensicht auf ein Phänomen, das 30 Jahre nach dem Deutschen Herbst erneut die Bundesrepublik bewegt  ...«

Rebecca Hillauer, Der Standard

»Terroristen beim Therapeuten

»(...) Liest man die Erfahrungsberichte der ehemaligen Terroristen, entsteht das Bild einer Gruppe von Menschen, die tief traumatisiert sind von der Vergangenheit, die sie selbst in Gang gesetzt haben. (...) Bis zur Frage der Reue ist keiner vorgedrungen. (...) Trotzdem sprechen hier Menschen, die auch Opfer sind, obwohl sie zuerst Täter waren. Der Schrecken, der Terror der RAF wird durch diese Feststellung nicht geschmälert, im Gegenteil, er wird dadurch erst in seinen beiden furchtbaren Wahrheiten offenbar. (...) Der Terror der RAF war eine Hölle, die am Ende auch die Seelen der Täter verzehrte.«
 ...«

Patrik Schwarz, Die Zeit