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Buchreihe: Psyche und Gesellschaft
242 Seiten, Broschur, 148 x 210 mm
Erschienen: März 2024
ISBN-13: 978-3-8379-3304-8
Bestell-Nr.: 3304
https://doi.org/10.30820/9783837962093
Leseprobe

Bilder der Wohnungsnot

Ideologische Phantasmen in der Geschichte der Fürsorge

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Die Geschichte der Wohnungsnot wird lesbar anhand von stereotypen Bildern, die in unterschiedlichen historischen Epochen über Menschen in Not vorherrschten – als »Vagabunden« oder »Taugenichtse«, »Nichtsesshafte« oder »asozial« Stigmatisierte. Die Auseinandersetzung mit diesen Bildern lenkt den Blick auf die historische Kontinuität sozialer Entkoppelung und politischer Ausgrenzung sowie auf die bis heute ungebrochene Wirkungsmacht symbolischer Spaltungen.
Saskia Gränitz unternimmt nicht nur eine ideologiekritische Entzauberung dieser Bilder, sondern befragt sie auch als real wirkmächtige Phantasmen hinsichtlich ihrer Funktion, Ausbeutungs- und Herrschaftsverhältnisse in jeder Epoche aufs Neue durchzusetzen. Dabei erweist sich die 500-jährige Geschichte der Herausbildung und Transformation kapitalistischen Wohnens als ein Drama mit wiederkehrenden Krisen, immer neuen Erscheinungsformen der Not und überwiegend gewaltsamen Versuchen ihrer politischen Regulierung.
Einleitung

1 Aufgaben und Fallstricke einer Bildgeschichte der Not
1.1 Zur Funktionalität von Bildern
1.2 Die soziale Frage des Wohnens
1.3 Entwurf einer materialistischen Ideologiekritik
1.4 Zum Begriff der Geschichte
1.5 Zur Frage des Standorts der Erzählung

2 ›Armselige Kreaturen‹. Die Statisten des Seelenheils
2.1 Barmherzigkeit und Ablasshandel – Armut und Almosen im Mittelalter
2.2 Integriert – soziale Sicherung in den Grenzen der Gemeinschaft

3 ›Betrügerische Bettler‹. Die Überzähligen
3.1 Exklusion und Misstrauen – keine Fürsorge für arbeitsfähige und fremde Arme
3.2 Entkoppelt – die Geburt des ›Vagabunden‹ als innerer Fremder

4 ›Taugenichtse‹, ›Lumpen‹ und ›Banditen‹. Die Ausgestoßenen
4.1 Abschreckung und Kriminalisierung – von der Verbannung zum Arbeitshaus
4.2 Enteignet – Vagabundenverfolgung und ursprüngliche Akkumulation

5 ›Unsere Brüder von der Landstraße‹. Die Disziplinierten
5.1 Proletarisierung und Moralisierung – Wanderarbeit auf den Wegen der Fürsorge
5.2 Mobilisiert – Eingliederung unter dem Vorzeichen der Arbeitsprekarität

6 Eine Bedrohung der ›Volksgesundheit‹. Die Genötigten
6.1 Normierung und Pathologisierung – urbane Wohnungsnot als ›Hygiene-Problem‹
6.2 Zusammengedrängt – Unterschlupf im freien Spiel von Lohn, Miete und Rendite

7 ›Arbeitsscheu und asozial‹. Die Entmenschlichten
7.1 Biologisierung und Rassifizierung – die nationalsozialistische Vernichtungspolitik
7.2 Entrechtung – Sozialdarwinismus und Eugenik als ›Lösung‹ der sozialen Frage?

8 ›Nichtsesshaftigkeit‹ und ›Wandertrieb‹. Die Anormalisierten
8.1 Psychiatrisierung und Vertreibung – der dunkle Schatten sozialer Normalität
8.2 An den Rand gedrängt – Exklusion und Exklusivität fordistischer Sicherheit

9 ›Besondere soziale Schwierigkeiten‹. Die Eigenverantwortlichen
9.1 Responsibilisierung und Aktivierung – des eigenen Glückes Schmied?
9.2 Prekarisiert – die Wiederkehr der sozialen Frage und der negative Individualismus

10 Ideologische Phantasmen in Zeiten der Krise

Literatur

Abbildungen

Danksagung

»Gewalt gegen Obdachlose nimmt zu. Hier müssten soziale Krisen und autoritäre Strukturen zusammengedacht werden, sagt die Soziologin Saskia Gränitz im Interview mit Volkan Agar von der taz ...«

, taz am 11. September 2024

»Frau Gränitz hat eine breit angelegte und gut fundierte Rekonstruktion der Geschichte der Wohnungsnot und ihrer disziplinären und professionellen Bewältigungsversuche vorgelegt. Die jeweilige relationale Schwerpunktsetzung auf die Epochenmerkmale, die dynamischen Sozialfiguren und die Institutionen und Handlungsweisen der Fürsorge ist originell. Die Studie ist nicht nur für die[*]den in diesem Feld Tätigen zu empfehlen, sondern auch als exemplarische Analyse sozialer Probleme ein gelungener Beitrag zur Geschichte der Sozialen Arbeit in Deutschland ...«

Karl-Heinz Braun, socialnet am 26. Juni 2024