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Buchreihe: Bibliothek der Psychoanalyse
380 Seiten, Broschur, 148 x 210 mm
1. Aufl. 2023
Erschienen: April 2023
ISBN-13: 978-3-8379-3206-5
Bestell-Nr.: 3206
https://doi.org/10.30820/9783837979411
LeseprobeWerbeblatt

Der Abschied vom Primat des Sexuellen

Zum Wandel der Psychoanalyse in Berlin und London zwischen 1920 und 1925

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Nach dem Ersten Weltkrieg vollzog sich in der psychoanalytischen Theorie und Praxis eine einschneidende Veränderung. Nichts weniger wurde infrage gestellt als das Freud’sche Primat des Sexuellen und des Ödipuskomplexes. An die Stelle des Sexuellen trat in der Theorie die Aggression, in der Praxis die Betonung aggressiver Aspekte in der Übertragung. Für die »neue« Psychoanalyse plädierte vor allem der Berliner Psychoanalytiker Karl Abraham, der unter anderem eine oral- und analsadistische Stufe der psychischen Entwicklung einführte. Seine Analysandin Melanie Klein betonte darüber hinaus die Bedeutung der Arbeit an der negativen Übertragung. Andere Analysandinnen und Analysanden Abrahams, unter ihnen Edward und James Glover sowie Alix Strachey, schlossen sich ihm an und brachten die »neue« Psychoanalyse nach London, wo sie zu einem integralen Bestandteil der britischen Psychoanalyse wurde.

Ulrike May gelingt ein neuer Einblick in die Geschichte der Psychoanalyse. Sie zeichnet nach, worin der Wandel der Psychoanalyse zwischen 1920 und 1925 im Einzelnen bestand, wer ihn vorantrieb, welche theorieexternen Umstände ihn unterstützten – und nicht zuletzt: wie Sigmund Freud sich dazu verhielt.
Einleitung

Zur Stellung der Aggression in Freuds Schriften bis 1920

Das Jahr 1920
Berlin: Gründung der Poliklinik
London: Jones und die Orientierung nach dem Westen
Das Komitee: Aufbruch im Herbst 1920
Jones als Vertreter von Freuds Psychoanalyse in London
Der erste Band des
International Journal of Psychoanalysis
Aggressivierung der Oral- und Analerotik in Arbeiten aus Amsterdam, Berlin und London
Frühe Arbeiten über die Behandlung narzisstischer Störungen
Freuds Beiträge aus dem Jahr 1920

Das Jahr 1921
Berlin: Beginn der Ausbildung zum Psychoanalytiker
Berlin als Ausbildungsstätte der
British Psychoanalytical Society
Zur Brunswick Square Clinic und ihrer Abwicklung durch James Glover und Jones
Die Tic-Diskussion: Abraham versus Ferenczi
Die Aggressivität der Frau
Abraham: »Eine tiefer gehende Analyse erscheint mir notwendig«
Freuds Beiträge aus dem Jahr 1921
Klein: Eine starke neue Stimme

Das Jahr 1922
Jones’ und Ferenczis Beziehung zu Freud
Alexander (Berlin): Frühe Kastrationswünsche und -ängste
James Glover (London): Andeutung der Möglichkeit oral-aggressiver Regungen
Ferenczi und Rank (Budapest/Wien): Verteidigung des Ödipuskomplexes und des Primats des Sexuellen
Abrahams Frage nach dem Verhältnis zwischen Analerotik und Sadismus
Der internationale psychoanalytische Kongress in Berlin im September 1922
Freuds Beiträge von 1922: Fundamentale Revision der Theorie

Das Jahr 1923
Freuds erster und zweiter Einspruch gegen die Annahme präödipaler Kastrationsängste und -wünsche
Reaktionen der Komitee-Mitglieder auf
Das Ich und das Es und auf Freuds Krebserkrankung
Abrahams Gründungsschrift der »neuen« Psychoanalyse:
Versuch einer Entwicklungsgeschichte der Libido
Die Meister-Schüler: Wir blicken tiefer als Freud
Kleins theoretischer Ansatz vor der Annäherung an Abraham
Abraham und Jones: Bündnispartner und Freunde
Das Berliner Institut: Zunehmende Institutionalisierung der Ausbildung
1923 als Jahr des Generationswechsels: Die Schüler werden Meister

Das Jahr 1924
Freuds Beiträge von 1924 mit dem dritten Einspruch gegen präödipale Kastrationsängste
Empörung über Ferenczi und Rank in Berlin und London
Auflösung des Komitees
Die »neue« klinische Theorie und Technik auf dem internationalen psychoanalytischen Kongress in Salzburg
Edward Glovers neues Bild vom Baby
Abraham und die Sehnsucht nach der nährenden Brust
Die Achse Berlin–London
Das »deutsche« Treffen in Würzburg
Edward Glover und das Konzept der oralen Aggression
Fenichel in Berlin: Die Enkel-Generation in der Nachfolge Abrahams
Ophuijsen in Amsterdam
Klein auf dem Weg zu Abraham: Der frühe Ödipuskomplex und Sadismus »all along the line«
Die Londoner Diskussion über den Ödipuskomplex und die Kinderanalyse
Sachs als Vertreter von Freuds Technik in Berlin
Zusammenfassung: 1924 als Jahr der Wende und des Transfers der »neuen« Psychoanalyse von Berlin nach London
Stärkung der psychoanalytischen Vereinigungen in Berlin und London

Das Jahr 1925
Freud, die ehemaligen Schüler und das Komitee
Klein 1925: Von Berlin nach London
Der Wunsch nach »Fakten« und die Ablehnung der Wiener »Sentimentalität«
Freud im Sommer 1925: Vierter und fünfter Einspruch gegen Thesen der »neuen« Psychoanalyse
Abraham statt Freud: Zum Verschwinden der Freud’schen Terminologie
Etablierung der »neuen« Psychoanalyse in Berlin und London

Ausblick

Anhänge
Anhang A: Zu den »Collective Reviews« (1920–1921) im International Journal of Psychoanalysis
Anhang B: »Das Medusenhaupt«
Anhang C: Zum Klein-Archiv
Anhang D: Kleins unveröffentlichte Mitteilungen (1920–1926)
Anhang E: Zur Unterdrückung von Kleins Publikationen (1920 –1925)

Bibliografie

Abkürzungen

Personenregister

»Weiterhin stehen Sigmund Freud und seine Schriften im Zentrum [der Psychoanalyse], doch werden sie zumeist nicht mehr im Original, sondern über die Meta­ebene der Sekundärliteratur rezipiert. Ähn­lich verhält es sich mit den Werken seiner Schüler. Dass die Lektüre der Originalquellen und ihre historische Einordnung vielverspre­chender sein kann, beweist die Analytikerin und Historikerin ihres Faches Ulrike May in dem vorliegenden Band. Sie konzentriert sich auf jene Jahre, die für die Rezeption der Psy­choanalyse als Kulturtheorie entscheidend waren, aber innerhalb des eigenen Faches für eher sekundär gehalten werden, die erste Hälfte der 1920er­Jahre  ...«

Florian G. Mildenberger, Zeitschrift für Geschichtswissenschaft, Heft 9/2023