488 Seiten, Broschur, 148 x 210 mm
Erschienen: November 2010
ISBN-13: 978-3-8379-2059-8
Bestell-Nr.: 2059
Gefühlserbschaft und Rechtsextremismus
Sofort lieferbar. Lieferzeit (D): 4-5 Werktage
Die Studie untersucht die intergenerationellen Folgen des Nationalsozialismus auf der »Täterseite« und ihre politische Handlungsrelevanz: Ausgehend von einer konzeptuellen Erweiterung der »Unfähigkeit zu trauern« (Alexander & Margarete Mitscherlich), werden die Spuren einer affektiven Integration in die NS-Volksgemeinschaft über drei Generationen hinweg systematisch nachgezeichnet. Neu ist die Erkenntnis, dass der nationalsozialistische kollektive Narzissmus tradiert wird und welche Mechanismen hierbei wirksam werden.
Auf dieser Basis gelingt der Nachweis, dass NS-Gefühlserbschaften in der Enkelgeneration eine Andockstelle für jene paranoiden Ideologien darstellen, die in rechtsextremen Gruppen vermittelt werden. Das intergenerationelle Verhältnis von aktuellem Rechtsextremismus und Nationalsozialismus ist nicht nur zu erklären, sondern ist selbst ein Erklärungsfaktor für die Entwicklung nationalistischer und antisemitischer Handlungsmuster.
Inhalt
1 Einleitung
2 Sozialpsychologie des Nationalgefühls
2.1 Die Nation als imaginäre Gemeinschaft
2.2 Psychosoziale Entkontextualisierung – Zur Psychoanalyse des Nationalgefühls
2.2.1 Massenpsychologie als Zugang zum Nationalgefühl?
2.2.2 Die Nation als virtuelle Masse
2.2.3 Die Nation als Container
2.2.3.1 Primär-narzisstische Phantasien, Fremdenrepräsentanz, narzisstischer Autonomie-Konflikt
2.2.3.2 Die Nation als Reservoir narzisstischer Externalisierungen
2.2.3.3 Projektive Identifizierung mit der Nation
2.2.3.4 Nationales Containment – Über die Produktion des Nationalgefühls
2.2.3.5 Nationaler Binnenraum und soziale Repräsentanten des Fremden
2.2.4 Zwischenbemerkung
2.3 Kollektiver Narzissmus und nationale Umdeutung gesellschaftlicher Wirklichkeit
2.4 Nationalgefühl und Nationalismus
3 Seelische Nachbilder – Die nationalsozialistische »Volksgemeinschaft« nach 1945
3.1 Nicht-Vermittelbarkeit von Schuld und Containment der NS-»Volksgemeinschaft«
3.2 Erinnerungsarbeit und Trauerunfähigkeit
3.2.1 Was heißt Derealisierung der NS-Vergangenheit?
3.2.1.1 Abgewehrte Erinnerung – Emotionaler Rückzug aus der eigenen Geschichte
3.2.1.2 Identifizierung mit den Siegern – Unangenommene Schuldfähigkeit
3.2.2 Zwischenfazit
3.3 Was heißt eigentlich Vermeidung einer Melancholie?
3.3.1 Ungeschehenmachen und Isolierung
3.3.2 Narzisstisches Berührungstabu
3.3.2.1 Unassimiliertes Introjekt als Folge abgewehrter Erinnerungsarbeit
3.3.2.2 Zur libidinös verlangenden Wirkkraft eines unassimilierten Introjekts
3.3.2.3 Unassimiliertes Introjekt und unbewusster kollektiver Narzissmus
3.3.3 Engführung – Narzisstisches Berührungstabu und Ungeschehenmachen der objektiven Schädigung des kollektiven Narzissmus
3.3.4 Zwischenergebnis – Unbewusster kollektiver Narzissmus und nationales Containment nach 1945
3.4 Zur psychosozialen und kollektiven Ebene des narzisstischen Berührungstabus
3.4.1 Schweigen, Dethematisierung und schuldabwehrende Selbstthematisierung – Zur interpersonalen Organisation des narzisstischen Berührungstabus
3.4.2 Schuldabwehraggression – Zur kollektiven Inszenierung des narzisstischen Berührungstabus
3.4.3 Zum Verhältnis von kontinuierlichen und neuen Aspekten in der aggressiven Wirkkraft des narzisstischen Berührungstabus
3.5 Politische und gesellschaftliche Aspekte im Verhältnis zum Nachleben des Nationalsozialismus
4 NS-Gefühlserbschaften in der zweiten Generation
4.1 Exkurs zum Begriff »Gefühlserbschaft«
4.2 Zur narzisstischen Funktionalisierung von Kindern aus der zweiten Generation durch ihre Eltern
4.3 Historische Wissbegierde und transgenerationelle Identifizierung
4.3.1 Zum infantilen Wunsch, in der Vergangenheit der Vorfahren zu leben
4.3.2 Zwischenbemerkung – Intergenerationelle Aushandlung eines familiären Umgangs mit der NS-Vergangenheit
4.3.3 Transgenerationelle Identifizierung – Über die Entwicklung eines Gespürs für das narzisstische Berührungstabu
4.3.3.1 Die fremde als die eigene Schuld
4.3.3.2 Narzisstische Prämie und geheimnisvolle Substanz der Eltern
4.4 Intergenerationeller Kompromiss und Transposition – Gespaltenes Elternbild und beschützende Beziehung zur Geschichte der Vorfahren
4.4.1 Familienmythen oder: Über das Verschwinden der gewalttätigen Schärfe des NS-Alltages
4.4.2 Familiengeheimnisse oder: Über das Erscheinen der gewalttätigen Schärfe des NS-Alltages
in unbewussten Phantasien
4.5 Zur Adoleszenz von Angehörigen der zweiten Generation
4.5.1 Aspekte adoleszenter Entwicklung
4.5.2 Adoleszente Umarbeitung des familiär ausgehandelten Umgangs mit der NS-Vergangenheit?
5 NS-Gefühlserbschaften in der dritten Generation
5.1 »Opa war kein Nazi?« – Kritik der Studie von Welzer, Moller und Tschugnall
5.2 »An der Seite der Großeltern« – Zur psychischen Einbindung von Angehörigen der dritten Generation in die Generationengeschichte des Nationalsozialismus
5.2.1 Zwischen Paranoia und Idealisierung – Zur Wahrnehmung von eigenen Kindern durch Angehörige der zweiten Generation
5.2.2 Exkurs zur schulischen Vermittlung der NS-Vergangenheit
5.2.3 Zwischenbemerkung
5.3 Transgenerationelle Identifizierung bei Angehörigen der dritten Generation
5.4 Ein dissoziiertes Großelternbild – Zur familiär ausgehandelten Struktur des Umgangs mit der NS-Vergangenheit
5.4.1 Kohärenz und Fragmentierung unbewusster geschichtsbezogener Phantasien
5.4.2 Spaltung und Dissoziation des Großelternbildes
5.5 Psychohistorische Retraditionalisierung? – Zum Verhältnis von erster und dritter Generation
6 Hitlers Enkel? – Zum Verhältnis von NS-Gefühlserbschaft und Rechtsextremismus bei Angehörigen der dritten Generation
6.1 Rechtsextremismus als aggressives psychosoziales Strukturprinzip
6.2 Zum Verhältnis von NS-Gefühlserbschaft und der paranoiden Ideologie des Rechtsextremismus
6.2.1 »NS-Helden im nationalen Abwehrkampf« – Zur historischen Dimension der paranoiden Ideologie des Rechtsextremismus
6.2.2 »Böser Blick der Feinde« – Zur Neutralisierung des Gewissens durch die Projektion des transgenerationell korrumpierten Über-Ich-Anteils
6.2.3 Zum Verhältnis von NS-Gefühlserbschaft und dem rechtsextremen Identifikationsobjekt
6.2.3.1 Nationale Rekontextualisierung familiärer Opfererzählungen
6.2.3.2 »Gefürchtete Täter als idealisierte Helden« – Zum Containing der unbewussten
geschichtsbezogenen Phantasien
6.2.3.3 »Weil es Feinde gibt, muss es Helden geben« – Zur psychodynamischen Motivation des Containings durch die projektive Feindbildung
6.2.4 Dramatisierung rechtsextremer Zugehörigkeit durch das Agieren der Täteridentifizierung
und durch zeitliche Vermischung
6.2.5 … und die Vorfahren aus der zweiten Generation?
7 Ausblick
8 Literatur
»Die Studie untersucht die intergenerationellen Folgen des Nationalsozialismus auf der ›Täterseite‹ und ihre politische Handlungsrelevanz: Ausgehend von einer konzeptuellen Erweiterung der ›Unfähigkeit zu trauern‹ (Alexander & Margarete Mitscherlich), werden die Spuren einer affektiven Integration in die NS-Volksgemeinschaft über drei Generationen hinweg systematisch nachgezeichnet ...«
Horst Grenz, Literaturblog des Institut50plus
»Charakteristisch für nahezu das gesamte Feld der sozialwissenschaftlichen Beschäftigung mit Rechtsextremismus in der Bundesrepublik ist, dass rechtsextreme Orientierungen von Jugendlichen aus der Enkelgeneration bisher nicht in Verbindung mit dem Nationalsozialismus ihrer Großeltern und der Familiengeschichte gebracht werden oder eine solche Verbindung verneint wird… ...«
, haGalil.com am 19. Dezember 2010
»Neu ist die Erkenntnis, wie der nationalsozialistische kollektive Narzissmus tradiert wird und welche Mechanismen hierbei wirksam werden ...«
Ludwig Helwig, www.literatur-report.de
»Mit Bezug auf Sigmund Freuds Formulierung einer sich tradierenden ›Gefühlserbschaft‹ untersucht der Autor anhand einer umfangreichen Materialsammlung bisheriger wissenschaftlicher Befunde und Theorieansätze aus psychoanalytisch-sozialpsychologischer Sicht trans- und intergenerationale Aspekte affektiver NS-Verstrickungen über drei deutsche Generationen hinweg, nicht zuletzt als Hintergründe und Wurzeln für das Entstehen von Rechtsextremismus ...«
Annette Vieth, Jahrbuch für Literatur & Psychoanalyse. Freiburger literaturpsychologische Gespräche, Bd. 32
»Der Ausgangspunkt von Lohls Überlegungen ist die Einsicht, dass sowohl ›in der sozialwissenschaftlichen Beschäftigung mit Rechtsextremismus als auch in der Forschung zu den generationsübergreifenden Folgewirkungen des Nationalsozialismus […] das Verhältnis von Intergenerationalität und Rechtsextremismus nicht systematisch untersucht‹ werde (18) ...«
Gideon Botsch, www.pw-portal.de
»›Gefühlserbschaft und Rechtsextremismus‹ ist eine Studie zur Generationengeschichte des Nationalsozialismus. Die Studie untersucht die Folgen für die aufeinanderfolgenden Generationen auf der ›Täterseite‹ und ihre politische Handlungsrelevanz ...«
, Antenne – Magazin der Evangelischen Jugend Nürnberg 1/2011
»Wer wissen will, wie sich die psychosozialen Nachwirkungen des Nationalsozialismus auf der Täterseite über drei Generationen hinweg darstellen, kommt an dem Buch von Lohl nicht vorbei ...«
Prof. Dr. Wolfram Stender, www.socialnet.de