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Buchreihe: Bibliothek der Psychoanalyse
394 Seiten, Gebunden, 148 x 210 mm
Erschienen: Juni 2003
ISBN-13: 978-3-89806-205-3
Bestell-Nr.: 205

Mathilde Freud

Die älteste Tochter Sigmund Freuds in Briefen und Selbstzeugnissen

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Mathilde Freud (1887–1978), die älteste Tochter Sigmund Freuds, hat zwischen 1903 und 1910 etwa 60 Briefe an ihren Jugendfreund Eugen Pachmayr in München geschrieben. Mathilde spricht darin mit eigener Stimme: mal spielerisch-flirtend, mal provozierend und besorgt, immer wach und kulturell interessiert. Schicksalsschläge und schwere Krankheiten zeichnen ihr Leben. Nach ihrer Heirat mit Robert Hollitscher bleibt sie kinderlos. Um 1930 eröffnet sie in Wien ein Geschäft für handgearbeitete Kleidung, das sie nach der Emigration nach England in London weiterführt. Von ihren Geschwistern lebt sie am längsten.
Ein Perspektivenwechsel innerhalb dieser Biographie führt zu der Frage nach Freuds Vaterrolle. Insofern schreibt Gödde nicht nur ein Stück Geschichte der Psychoanalyse, so wie der Familiengeschichte Freuds neu, sondern bereichert auch die Diskussion um Freuds Frauenbild.
Inhalt
Ein Frauenschicksal
Der väterliche Einfluß
Einblicke in die Freud-Familie

I. Herkunft und Kindheit

Die Eltern
1. Sigmund Freud, der Vater
2. Martha Bernays, die Mutter
3. Auseinandersetzungen in der Verlobungszeit (1882–86)
4. Spezialisierung als Nervenarzt und Habilitation
5. Studienaufenthalt bei Charcot und Praxiseröffnung
6. Heirat (1886) und erstes Ehejahr

Entwicklung in der Kindheit
7. Mathildes Geburt (1887)
8. Hinweise auf die ersten Lebensjahre
9. Zweimalige lebensgefährliche Erkrankung an Diphtherie
10. Die Position der Ältesten in der Geschwisterreihe
11. Die frühe Vater-Tochter-Beziehung

II. Die Adoleszenz einer höheren Tochter im Spiegel ihrer Briefe und Selbstzeugnisse
Jugendfreundschaft mit Eugen Pachmayr (1901–10)
1. Der Ferienaufenthalt der Freud-Familie am Thumsee
2. Der Jugendfreund Eugen Pachmayr
3. Weitere Begegnungen am Königssee
4. Das Briefmaterial

Der Beginn des Briefwechsels in der Pubertät (1903)
5. »… die Sweet Sixteen ist ein Alter, in dem man meist sehr verdreht ist«
6. »Eigentlich ist es ein Jammer mit uns Mädeln und unsrer Unselbständigkeit«
7. Ein Literaturkurs bei ihrem bewunderten Deutsch-Professor
8. Bildungsmöglichkeiten an einer »Frauenhochschule«
9. Aufblühendes Kunstinteresse und erste Eindrücke vom Jugendstil
10. Zarte Ansätze eines eigenen Lebensentwurfs

Eine folgenschwere Krankheit (1904–06)
11. Eine längere Unterbrechung des Briefwechsels
12. Die verhängnisvolle Blinddarmoperation
13. Kuraufenthalte und Familienurlaube
14. »Aber ich, fürcht ich, habe mich sehr verändert«
15. Wiederannäherung und Wiederaufnahme des Briefwechsels

Wechselseitige Prüfung und Partnerwahl (1907–08)
16. Einführung in die gesellschaftliche Welt – Kränzchen, Bälle und gesellige Vergnügungen
17. »Luft- und Lichthunger« des Stadtmenschen
18. Wiederaufleben der kulturellen Interessen
19. Verliebtheit und Heiratsphantasien
20. Eugens Partnerwahl als Zäsur

Veränderungen in beider Leben und Abschluß des Briefwechsels (1908–10)
21. Mathildes Verlobung mit Robert Hollitscher
22. Heirat und erstes Ehejahr
23. Veränderungen innerhalb der Familie Freud
24. Eugens Verlobung mit Regine Steinhaus und Ende der Korrespondenz

Das »Concert- und Theater-Merkbüchlein« als Spiegel eigener Bildungsaktivitäten (1899–1909)
25. Der herausragende Stellenwert des Burgtheaters
26. Die Bedeutung anderer Theater
27. Opernaufführungen und Konzerte
28. Vorträge, Vorlesungen und der Kunstsalon Hugo Hellers
29. Verbindungen zwischen den Jugendbriefen und dem Merkbüchlein
30. Das Merkbüchlein als Dokument einer höheren Tochter aus dem jüdischen Bildungsbürgertum

Mathilde Freuds Lebensentwurf als junge Frau
31. Die weibliche Adoleszenz als normative Krise – ein von Freud unterschätztes Problem
32. Das Fehlen beruflicher Perspektiven
33. Unbewußte Konflikte und ihre Verlagerung auf den Körper
34. Von der Jugendfreundschaft zur unerfüllten Jugendliebe
35. Die verborgene jüdische Identität

III. Die mittlere Lebensphase – in drei Sphären
Ehe und Geschäftsleben
1. Die Notwendigkeit weiterer Operationen
2. »… eine chronisch Invalide, die sich wunderbar normal verhält«
3. Bezüge zur Familie Robert Hollitschers
4. Geschäftliche Schwierigkeiten im Ersten Weltkrieg
5. »Kein Geschäft mehr und nur Verluste« in der Weltwirtschaftskrise
6. Mathildes später beruflicher Einstieg als Designerin und Geschäftsfrau

Der Einfluß des Vaters

7. Sigmunds Freuds Aufgaben als Familienvater
8. Die »Ehepolitik« des Vaters im Vorfeld von Mathildes Partnerwahl
9. Das Arrangement mit Sophies Verlobung und Heirat
10. Die emotionale Bindung an die drei Töchter
11. Von der Jüngsten zur »Einzigen« – die besondere Beziehung zu Anna

Mathildes Stellung im Kreise ihrer Familie
12. Die Aufgaben Martha Freuds als Ehefrau und Mutter
13. »Tante Minna« als »zweite Mutter« der Freud-Kinder
14. Mathildes Vorbildfunktion für Anna
15. Der frühe Tod der Schwester Sophie
16. Adoption des Neffen Heinerle
17. Feriengestaltung mit Anbindung an die Familie
18. »… als Älteste die Brave und Weise … immer wohltuend«

Bezüge zur Psychoanalyse
19. Die »Kindheit« der Psychoanalyse als historischer Kontext
20. Die Anfänge der psychoanalytischen Bewegung aus der Sicht Mathilde und Martin Freuds
21. Mathildes Berührungspunkte mit der geistigen Welt des Vaters
22. Die integrative Aufgabe der Freud-Familie in der Psychoanalyse

IV. Verlust der Heimat – Neubeginn im Exil
Der Weg in die Emigration (1933–38)
1. Österreich unter der NS-Bedrohung
2. Der »Anschluß« Österreichs an das Deutsche Reich
3. Das Ende des internationalen Psychoanalytischen Verlags
4. Vorbereitungen auf die Emigration
5. Von Wien nach London

Vierzig Jahre in London (1938–78)
6. Freuds letztes Lebensjahr
7. Mathilde als Geschäftsfrau – 25 Jahre Leitung des Modegeschäfts »Robell«
8. Abschied von der Elterngeneration
9. Die Freud-Kinder als Bewahrer des väterlichen Erbes
10. Die beiden letzten Lebensjahrzehnte Mathildes

Abschließende Betrachtungen
11. Fragemente eines Lebensbildes
12. Der Blick von außen – divergierende Sichtweisen
13. Das Repräsentative an Mathildes Frauenschicksal
14. Das komplementäre Zusammenspiel zwischen Tochter und Vater

Dokumentarischer Anhang
I. Mathilde Freuds Briefe an Eugen Pachmayr
II. Mathilde Freuds »Concert- und Theater-Merkbüchlein«


»Die Tochter ist auch für ihn oft Vorwand. Dahinter verbirgt sich sein Interesse, Mathildes Jugend-Briefe als ›neue historische Quelle für die Freud-Forschung‹ zu erschließen. Dieser Vorsatz misslingt jedoch. Denn die posierliche Schriftstücke offenbaren zwar viel vom jugendlichen, in Ironie verpackten Weltschmerz der Tochter, aber wenig über den Vater  ...«

Bernd Nitzschke, psychosozial 2/2004

»Für die dafür notwendigen Recherchen gebührt Gödde Anerkennung. Hier wie im ganzen Buch zeigt sich, was die Arbeit eines Historikers der Psychoanalyse vermag, wenn sie sorgfältig die Quellen respektiert. Der zurückhaltende Ton in der Bewertung dieser Quellen und ihre kenntnisreiche Einbettung in biographische und umfassendere Kontexte machen das Buch zu einer angenehmen Lektüre  ...«

Michael B. Buchholz, Psychoanalytische Familientherapie 8/2004

»Der Charme dieses reich dokumentierten und gründlich recherchierten Buches zeigt sich im Unspektakulären und gerade darin, dass es kein Enthüllungsbuch für Freud-Voyeure ist und es auch nicht sein will  ...«

Peter Schneider, Neue Zürcher Zeitung (NZZ) vom 15. Februar 2004

»Gödde/'s work is a traditional and careful compilation of all kinds of information, both trivia and interesting details. It confirms the earlier views about the father of psychoanalysis having been a responsible, somewhat faintly available, mostly authoritative rather than strictly authoritarian parent to his children  ...«

Juhani Ihanus, Journal of the History of the Behavioral Sciences, Voll.44(1), 83–84, 2008

»Während über Freuds jüngste Tochter eine Fülle von biographischen Veröffentlichungen vorliegt – denn Anna war es, die das geistige Erbe ihres Vaters fortführte und das Interesse der Biographen nachhaltig beflügelte –, blieb das Schicksal der beiden älteren Töchter Mathilde und Sophie stets unterbelichtet  ...«

Hans-Martin Lohmann, Luzifer-Amor 33, 2004, H. 17

»Transkribiert von Michael Schröter und herausgegeben von Günter Gödde, liefern sie einen bedeutsamen Einblick in die Adoleszenz einer jungen Frau aus bildungsbürgerlich-akademischem Milieu, deren Entwicklung ebenso typisch ist für ihre Zeit, wie sie außerdem weiteren Aufschluß gibt über (Macht-)Verhältnisse in ihrer Familie  ...«

Christof Windgätter, Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 28. Juli 2003, Nr. 172

»Mathildes jetzt erstmalig veröffentlichte Briefe an Eugen sind nicht nur für die Freud-Forschung von Interesse. Sie geben Einblick in die Erlebniswelt eines behüteten jungen Mädchens aus dem jüdischen Bildungsbürgertum der vorletzten Jahrhundertwende. Sie zeigen Mathilde mal spielerisch-flirtend, mal provozierend sowie als kulturell interessierte, eifrige Theaterbesucherin, geben aber auch Einblick in die vielen Krankheiten, Schicksalsschläge und Schwierigkeiten, mit denen sie zu kämpfen hat. Die Briefe zeugen von Annäherungsversuchen und Liebesgefühlen bis hin zu Heiratsphantasien  ...«

Katja Behling-Fischer, Aufbau vom 24. Juli 2003

»Die vorliegende Arbeit baut gleich auf zwei größeren Quellenfunden auf: Zum Einen die circa sechzig Jugendbriefe und Postkarten Mathilde Freuds (1887–1978) an ihren Jugendfreund, den späteren Münchner Arzt Eugen Pachmayr (1886–1963) aus den Jahren 1903 bis 1910. Diese Freundschaft resultierte aus einer Sommerfrische in der Nähe der bayrischen Kurstadt Reichenhall. Die Aufarbeitung dieser Jugendbriefe stand am Anfang der hier vorgelegten Studie  ...«

Thomas Müller, literaturkritik.de vom 29. August 2003

»Die vor kurzem entdeckte und von Günter Gödde herausgegebene Jugendkorrespondenz der ältesten Tochter Freuds (1901–1910) vermittelt uns einen interessanten Einblick in die adoleszente und spätadoleszente Lebensphase eines heranwachsenden Mädchens aus bildungsbürgerlichem Hause. Sie gibt Zeugnis von einer Adoleszenz, die dem konventionellen Hineinwachsen in die traditionelle bürgerliche Frauenrolle des 19. Jahrhunderts entspricht  ...«

Renate Müller-Bülow, PSYCHE, 58. Jahrgang, Heft 5, 2004

»Ein Hang zur Kreativität und der Drang zu geistiger und künstlerischer Fortbildung und Entfaltung wohnte wohl den meisten Frauen der Freud-Familie inne. In den Aufzeichnungen von Mathilde Freud, der ältesten Tochter. die Günther Gödde 2003 herausgab, wird jedoch deutlich, wie schwer es war, diese Bedürfnisse dem Vater gegenüber und als Frau in der damaligen Wiener Zeit durchzusetzen  ...«

Christina Puschak , Zwischenwelt. Zeitschr. f. Kultur d. Exils u. d. Widerstands 23 Jg. Nr. 2/3 03/2007