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28 Seiten, PDF-E-Book
Erschienen: Juli 2024
Bestell-Nr.: 40628
https://doi.org/10.30820/0075-2363-2024-2-45
»Jahrbuch der Psychoanalyse«
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Thomas Rabeyron

Überraschung und Symbolisierung (PDF)

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In diesem Artikel stellen wir einige Überlegungen zum Begriff der Überraschung an, indem wir seinen Platz und seine Rolle in der Praxis der analytischen Prozesse hinterfragen. Nach der Beschäftigung mit einigen Elementen, die die Bedingungen für das Auftreten von Überraschungsmomenten im analytischen Rahmen betreffen, insbesondere die Dialektik zwischen Vorhersehbarkeit und Unvorhersehbarkeit, untersuchen wir die Besonderheiten der psychischen Verfassung, die Überraschungszustände begünstigt, indem wir uns auf die Begriffe der »negativen Fähigkeit« und der »ausgewählten Tatsache« stützen. Wir möchten eine Typologie der Überraschungsmomente vorschlagen, der man im analytischen Rahmen begegnen könnte und die ihre heterogene und polymorphe Dimension evident werden lässt. Die Überraschung kann in der Tat in ihrer Zeitlichkeit und Intensität variieren und sowohl den Analytiker12 als auch den Analysanden in getrennter oder gemeinsamer Weise betreffen. Die Überraschung erscheint dann als ein Ausdruck unbewusster Inhalte gemäß einer Reorganisation ihrer Beziehung zu Abwehrmechanismen wie Spaltung oder Verdrängung. Sie könnte auch variable Beziehungen zu anderen Sinneseindrücken wie dem Erstaunen, dem Entsetzen und der beunruhigenden Fremdheit unterhalten. Wir schlagen weitergehend vor, die Überraschung als ein essenzielles Kennzeichen des Symbolisierungsprozesses zu betrachten, dem der Analytiker besondere Aufmerksamkeit widmet. Aus dieser Perspektive erscheint sie als Ausdruck einer Begegnung mit dem Unerwarteten an der Grenzfläche zwischen Innen und Außen, zwischen Lust und Unlust, weshalb sie so zentral in der psychischen Integrationsarbeit ist. Sie nimmt also einen essenziellen Platz in der analytischen Arbeit ein und wird durch das Einsetzen der Übertragung und der freien Assoziation katalysiert. Schließlich werden am Ende des Artikels einige Gedanken zur Überraschung an der Schnittstelle zwischen Psychoanalyse, Neurowissenschaft und Erkenntnistheorie entwickelt, insbesondere ausgehend von Karl Fristons Arbeiten über das Bayes’sche Gehirn.

Abstract:
In this article, we offer some reflections on the concept of surprise by questioning its place and role in the practice of analytic processes. After discussing some elements related to the preconditions for surprise to occur in the analytic framework, in particular the dialectic between predictability and unpredictability, we examine the particularities of the mental state that favors states of surprise by drawing on the notions of »negative capability« and »selected fact«. We would like to propose a typology of moments of surprise that may be encountered in the analytical framework and that reveals their heterogeneous and polymorphic dimensions. Surprise can indeed vary in its temporality and intensity and can be experienced by both the analyst and the analysand separately or together. Surprise thus appears as an expression of unconscious meaning according to a reorganization of its relation to defense mechanisms such as splitting or repression. It could also maintain variable relationships with other sensory impressions such as astonishment, horror, and disconcerting strangeness. We further propose to consider surprise as an essential feature of the symbolization process to which the analyst pays particular attention. From this perspective, it appears as an expression of an encounter with the unexpected at the interface between the inside and the outside, between pleasure and displeasure, which is why it is so central to the work of psychic integration. It therefore occupies an essential place in analytic work and is catalyzed by the occurrence of transference and free association. Finally, the article concludes with some thoughts on surprise at the intersection of psychoanalysis, neuroscience, and epistemology, drawing in particular on Karl Friston’s work on the Bayesian brain.