Francesca Molfino

Neutralität, Bisexualität und Androgynie des Psychoanalytikers

Psyche, 1993, 47(6), 560-573

Es werden Überlegungen zur Rolle des Geschlechts des Psychoanalytikers für den psychoanalytischen Prozess und insbesondere für das Übertragungs-Gegenübertragungs-Geschehen erörtert. Dabei wird die Ansicht vertreten, dass im Gegensatz zur Philosophie, deren Anfänge in der zentralen und tendenziell homosexuellen Beziehung von Rhetorik und Dialog zwischen Lehrer und Schüler liegen, der psychoanalytische Dialog das heterosexuelle ... [ mehr ]

Margarete Mitscherlich-Nielsen

Was können wir aus der Vergangenheit lernen?

Psyche, 1993, 47(8), 743-753

Die Aktualität der in A. und M. Mitscherlichs Buch Die Unfähigkeit zu trauern (1967) gestellten Zeitdiagnose wird in den derzeitigen Gewaltausbrüchen als bestätigt angesehen. Wie nach Kriegsende über die von den Nazis angerichteten Greuel Schweigen herrschte, Schuld und Scham verleugnet wurden und die Erinnerung und Durcharbeitung von Trauer über Millionen fremder und eigener Kriegsopfer ausblieben, zeigt die aktuelle von einer schweigenden ... [ mehr ]

Roberto Lobos-Wild

Delinquenz als Ausdruck des Narzißmus- und Borderline-Leidens. Institutionelle und einzeltherapeutische Behandlungselemente

Psyche, 1993, 47(1), 82-101

Es wird über Erfahrungen berichtet, die im Rahmen der therapeutischen Tätigkeit mit delinquenten Jugendlichen in einer Schweizer strafrechtlichen Institution, in der das Konzept einer therapeutischen Gemeinschaft verwirklicht wurde, gesammelt wurden. Der Erfolg dieser Einrichtung wird vor allem darauf zurückgeführt, dass mit Hilfe psychoanalytisch orientierter themenzentrierter Gruppen und unter Einbeziehung des gesamten Personals Spaltungsprozesse ... [ mehr ]

Judith Le Soldat

Kekules Traum. Ergänzende Betrachtungen zum »Benzolring«

Psyche, 1993, 47(2), 180-201

Vor zwanzig Jahren publizierte A. Mitscherlich eine psychologische Studie zu jenem berühmten Traum des Chemikers Friedrich August Kekulé, welcher der Formulierung der Benzoltheorie unmittelbar vorausging. Mitscherlich deutete Kekulés Traum als Ausdruck eines verklemmten und unterdrückten Sexualwunsches. Es wird eine alternative Deutung vorgestellt, die sich von der suggestiven Kraft des Traumbildes löst und in Kekulés Traumproduktion die ... [ mehr ]

Dieter Rudolf Knoell

Die doppelte als einseitige Vergangenheitsbewältigung. Tilmann Mosers analytisch-therapeutischer Beitrag zum geistigen Wiederaufbau

Psyche, 1993, 47(8), 775-794

Mit inhaltsanalytischen Methoden sowie einer Synopse von mehrenen Aufsätzen T. Mosers zur Bewältigung der Vergangenheit wird der Nachweis zu führen versucht, dass Mosers Zurückweisung der kritischen Auseinandersetzung mit der deutschen Vergangenheit als Teil eines konservativen Kulturkampfes gegen Restbestände des 68er-Denkens verstanden werden kann. Die intendierte Diskreditierung der sozialpsychologischen Methoden und ... [ mehr ]

Stephanie Kiceluk

Der Patient als Zeichen und als Erzählung: Krankheitsbilder, Lebensgeschichten und die erste psychoanalytische Fallgeschichte

Psyche, 1993, 47(9), 815-854

Die Entwicklung von Fallgeschichten wird aus geschichtlicher Perspektive erörtert. Obwohl S. Freud allgemein als Erfinder der Fallgeschichte gilt, gab es auch vor ihm Berichte und Geschichten über Patienten. Der französische Arzt Philippe Pinel (1745 bis 1826) war der erste, der bei seinen Patienten mentale Störungen systematisch aufzeichnete und beschrieb. Von Pinel her leiten sich zwei Traditionen ab, die zwei Diskurse generieren: (1) der ... [ mehr ]

Judith S. Kestenberg

Spätfolgen bei verfolgten Kindern

Psyche, 1993, 47(8), 730-742

Spätfolgen bei Kinder, die in der Nazizeit verfolgt wurden, werden erörtert. Zunächst wird über ein Forschungsprojekt (International Study of Organized Persecution of Children) berichtet, in dem Menschen befragt wurden, die als Kinder dem Schicksal der Verfolgung ausgesetzt waren. Anschließend werden die Lebensläufe von vier verfolgten Kindern und deren Selbstheilungsversuche als Erwachsene beschrieben. Für besonders wichtig wird ... [ mehr ]

Ingrid Kerz-Rühling

Nachträglichkeit

Psyche, 1993, 47(10), 911-933

In Verbindung mit der Konzeption der Zeitlichkeit und der psychischen Kausalität spielt der Begriff der Nachträglichkeit im Werke S. Freuds eine erhebliche Rolle: Frühe Erfahrungen, Eindrücke, Erinnerungsspuren werden später aufgrund neuer Erfahrungen umgearbeitet und erhalten so nachträglich eine Bedeutung, die sie ursprünglich nicht hatten. Es wird deutlich gemacht, dass eine sich solchermaßen strikt hermeneutisch verstehende ... [ mehr ]

Erwin Kaiser

Die Olympischen Spiele der Psychotherapie: Das Forschungsgutachten zum Psychotherapeutengesetz

Psyche, 1993, 47(9), 882-895

Das 1991 veröffentlichte Forschungsgutachten zum Psychotherapeutengesetz wird hinsichtlich seiner berufs- und wissenschaftspolitischen Bedeutung analysiert; dabei stehen Auswirkungen des Gutachtens auf die Psychoanalyse im Mittelpunkt. Nach einer Skizzierung der Inhalte des Gutachtens wird die Fragwürdigkeit einer Effizienzforschung aufgezeigt, die ausschließlich der quantitativ-statistischen Methodologie verpflichtet ist und dem Selbstverständnis der ... [ mehr ]

Betty Joseph

Ein Faktor, der psychischer Veränderung entgegenwirkt: keine Resonanz

Psyche, 1993, 47(11), 997-1012

Bei bestimmten Patienten, die den Psychoanalytiker aufsuchen und die hier in Fallausschnitten vorgestellt werden, stößt dieser auf das Problem, dass seine Deutungen keine emotionalen Reaktionen hervorrufen und dass eine wirkliche bzw. nichtintellektualisierende Resonanz ausbleibt. Dieser Typus des nichtresonanten Patienten wird charakterisiert als eine Person, bei der psychotische Persönlichkeitsanteile von den gesunden Anteilen dauerhaft abgespalten sind. ... [ mehr ]

Axel Hoffer

Asymmetrie und Gegenseitigkeit in der analytischen Beziehung: Lektionen für heute aus der Beziehung zwischen Freud und Ferenczi

Psyche, 1993, 47(11), 1027-1040

Vor dem historischen Hintergrund der Kontroverse zwischen S. Freud und S. Ferenczi über die psychoanalytische Beziehung wird die Frage erörtert, wie Analytiker den Gegensatz von Asymmetrie und Gegenseitigkeit in der Analyse handhaben. Obwohl eine der psychoanalytischen Beziehung inhärente Tendenz zur Gegenseitigkeit ausgemacht wird, wird für die Aufrechterhaltung von Asymmetrie plädiert, weil die analytische Beziehung keine gewöhnliche ... [ mehr ]

Robert Heim

Vatermord und Dialektik der Aufklärung. Die »vaterlose Gesellschaft« als Modell einer psychoanalytischen Archäologie der Moderne

Psyche, 1993, 47(4), 344-377

Anknüpfend an Alexander Mitscherlichs sozialpsychologische Diagnose der vaterlosen Gesellschaft werden Überlegungen zur Dialektik der Aufklärung angestellt. Dabei wird zunächst S. Freuds Totem und Tabu , das den Ursprungsmythos der Kultur erzählt, in Erinnerung gerufen. Es wird deutlich gemacht, dass das sich stets wiederholende Misslingen von Kultur und ihr Rückfall in Mord und Barbarei mit der Dialektik aller Aufklärung und mit der ... [ mehr ]

Hendrika C. Halberstadt-Freud

Postpartale Depression und die Illusion der Symbiose

Psyche, 1993, 47(11), 1041-1062

Aus psychoanalytischer Perspektive wird die Wochenbettdepression erörtert. Nach einleitenden Anmerkungen zur multigenerationellen Verwicklung, einer spezifischen pathologischen Beziehungsform zwischen der Mutter und ihrer zur Mutter gewordenen Tochter, wird vor allem die Illusion der Symbiose angesprochen. Kerngedanke ist hierbei die Phantasie der Mutter, ihr Baby könne ihr alle jene Wünsche erfüllen, die ihr selbst als Kind von der eigenen Mutter nicht ... [ mehr ]

André Green

Die tote Mutter

Psyche, 1993, 47(3), 205-240

Die Bedeutung des Komplexes der toten Mutter wird aus psychoanalytischer Perspektive erörtert. Dabei wird insbesondere auf die Erfahrung des Kindes mit einer äußerlich anwesenden, innerlich aber aufgrund einer Depression abwesenden Mutter eingegangen. Das Kind introjiziert diese mütterliche Imago und spaltet sie gleichzeitig ab. So kann sie weder betrauert noch begraben werden. Als Folge des Besetzungsabzugs entsteht eine Leere, die als psychische ... [ mehr ]

John E. Gedo

Psychoanalytische Interventionen: Überlegungen zur Form

Psyche, 1993, 47(2), 130-147

Im Rahmen von Überlegungen zur Form analytischer Interventionen wird anhand von vier Beispielen gezeigt, dass es in bestimmten therapeutischen Situationen sinnvoll ist, eine Interventionssprache zu finden, die auf die Mitteilungen des Analysanden wie ein Echo antwortet und gleichsam dessen innere Stimme repräsentiert. Dabei muss diese Antwort genügend bildhaft und dramatisch sein, um mit den archaischen Seiten des Patienten in Kontakt zu kommen, und sie muss ... [ mehr ]

Antonino Ferro

Zwei Autoren auf der Suche nach Personen. Die Beziehung, das Feld, die Geschichte

Psyche, 1993, 47(10), 951-972

Die Geschichte, die sich innerhalb des Zwei-Personen-Feldes der psychoanalytischen Situation entwickelt, wird üblicherweise anhand von Übertragungsphänomenen oder auch Körperphantasien zu verstehen versucht. Demgegenüber wird ein narratologischer Ansatz vorgestellt. Dabei wird gezeigt, wie innerhalb des psychoanalytischen Feldes Mikrogeschichten entstehen, in denen sich die unbewusste seelische Zusammenarbeit des Paares spiegelt. Die kreative ... [ mehr ]

R. Horacio Etchegoyen

Das Junktim von Forschen und Heilen in der Psychoanalyse

Psyche, 1993, 47(3), 241-260

Im Zusammenhang mit der Kontroverse darüber, ob die Psychoanalyse eher zu den Naturwissenschaften oder den Geisteswissenschaften zählt, wird eine szientifische Position vertreten. Dabei wird die Deutung in der analytischen Stunde als Eröffnung eines Spielraums für Hypothesen verstanden, deren Validität empirischer Überprüfung zugänglich ist. Für die Technik der Deutung heißt das, dass Deutungen nicht nur knapp und einfach ... [ mehr ]

Mario Erdheim

Psychoanalyse, Adoleszenz und Nachträglichkeit

Psyche, 1993, 47(10), 934-950

Überlegungen zur künstlerischen Avantgarde zielen darauf ab, angeblich gesicherte Bestände der Tradition in neuen Bedeutungen zu sehen. Diese Sichtweise spielt auch in der Psychoanalyse eine wichtige Rolle, denn sie untersucht die Fähigkeit des Menschen, sich nachträglich zur Vergangenheit so zu verhalten, dass neue, eigene Traditionen geschaffen werden, um die Gegenwart umstrukturieren zu können. Es wird die These vertreten, dass diese ... [ mehr ]

K. R. Eissler

Bemerkungen über falsche Interpretationen von Freuds Verführungstheorie

Psyche, 1993, 47(9), 855-865

Die Tatsache, dass S. Freud die von ihm 1896 formulierte Verführungstheorie schon kurze Zeit später wieder verwarf, hat eine Reihe von Kritikern, etwa J. M. Masson, dazu veranlasst, an Freuds wissenschaftlicher Seriosität zu zweifeln und ihm niedere persönliche Motive für diesen Schritt zu unterstellen. Demgegenüber wird gezeigt, dass Freud zwei Bedingungen angegeben hatte, die die Verführungstheorie falsifizieren würden. Als diese ... [ mehr ]

Michael Düe

Askese und Ekstase bei Freud

Psyche, 1993, 47(5), 407-424

Es wird gezeigt, dass die Verwendung der Begriffe Versagung und Wunscherfüllung im Werk von S. Freud auf ein Spannungsfeld in der psychoanalytischen Theorie verweist, das sich auch mit dem Begriffspaar Askese und Ekstase umschreiben lässt. Freuds Denken wird in drei unterschiedliche Phasen eingeteilt: (1) Phase der dämonologischen Spekulation, (2) Phase der labyrinthischen Spekulation, (3) Phase der kosmogonischen Spekulation. Es wird deutlich ... [ mehr ]

Martin Dornes

Psychoanalyse und Kleinkindforschung. Einige Grundthemen der Debatte

Psyche, 1993, 47(12), 1116-1152

Das Verhältnis von Psychoanalyse und Kleinkindforschung wird im Überblick erörtert. Zunächst wird deutlich gemacht, dass es notwendig ist, die psychoanalytische Entwicklungspsychologie auf direkte Beobachtung zu stützen und damit Anschluss an den Forschungsstand in den Nachbardisziplinen zu gewinnen. Solche Direktbeobachtung legt nämlich nahe, sowohl die Symbiose- und Borderline-Theorie der frühen Normalentwicklung als auch die Annahme von ... [ mehr ]

Deutsche Psychoanalytische Vereinigung

Erklärung der Deutschen Psychoanalytische Vereinigung zu Fremdenhaß und Gewalt in Deutschland verabschiedet in der Generalversammlung der DPV am 19. November 1992 in Wiesbaden

Psyche, 1993, 47(2), 202-203

Eine in der Generalversammlung der Deutschen Psychoanalytischen Vereinigung am 19. November 1992 in Wiesbaden verabschiedete Erklärung zu Fremdenhass und Gewalt in Deutschland wird wiedergegeben. Dabei werden insbesondere die psychodynamischen Ursachen des Fremdenhasses angesprochen, und es wird gefordert, mit allen zur Verfügung stehenden rechtsstaatlichen Mitteln der Gewalt entgegenzutreten. (c) Psyindex.de 2009 alle Rechte vorbehalten [ mehr ]

Patrick Casement

Psychoanalyse - Verfahren oder Prozeß?

Psyche, 1993, 47(11), 1013-1026

Zwei Auffassungen von Psychoanalyse werden erörtert. Die eine sieht in ihr ein wissenschaftliches Verfahren, das korrekt angewendet werden muss. Die andere versteht sie hingegen als einen vom Patienten ausgehenden Prozess, in welchem dieser auf der unbewussten Suche nach dem ist, was er braucht. Anhand einer Fallvignette wird veranschaulicht, wie der Analytiker durch den Patienten in die Erfahrung hineingezogen wurde, nicht verstehen zu können, was dieser ihm ... [ mehr ]

Hans-Joachim Busch

Was heißt »Unbehagen in der Kultur« heute bzw. was kann es im Rahmen einer kritischen Politischen Psychologie heißen?

Psyche, 1993, 47(4), 303-324

S. Freuds kulturdiagnostische Schrift Das Unbehagen in der Kultur aus dem Jahre 1930 wird zum Ausgangspunkt für sozialpsychologische Hypothesen genommen, die das abstrakte biologistische Triebkonzept des späten Freud (Antagonismus von Eros und Thanatos) hinter sich lassen, um zur historisch-gesellschaftlichen Konkretion eines aktuellen Unbehagens in der Kultur vorzustoßen. In Anlehnung vor allem an die Arbeiten Klaus Horns und Alfred Lorenzers wird ein ... [ mehr ]