199 Seiten, Broschur, 148 x 210 mm
Erschienen: Oktober 2017
ISBN-13: 978-3-8379-2690-3
Bestell-Nr.: 2690
Vom Menschen in der Medizin
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Roelcke identifiziert an verschiedenen Beispielen das Potenzial einer kulturwissenschaftlich informierten Medizin. Geschichte, Ethnologie und eine medizinische Anthropologie eröffnen neue Perspektiven auf vermeintliche Selbstverständlichkeiten sowie Denk- und Handlungsweisen etwa zu den Themen Schmerz, Tod, medizinische Forschung, Ethik und Professionalität. Ziel dieses Buches ist es, die Medizin zu einer systematisierten Selbstreflexion ihres Menschenbildes, ihres Krankheits- und ihres Wissenschaftsverständnisses zu motivieren, um eine Heilkunde zu entwickeln, die sich an den Bedürfnissen des ganzen Menschen orientiert.
1. Einführung
Zur Bedeutung der Kulturwissenschaften für eine humane Medizin
2. Schmerz
Naturwissenschaftliche Aporie und die Bedeutung von Erinnerung und Narration in der Medizin
2.1 Das Referenzwerk von Zborowski
2.2 Kritik an Zborowskis Studie
2.3 Die 1980er und 1990er Jahre
2.4 Zwischenbilanz
2.5 Sinnstiftungen, Identitätsbildungen, Kontrollstrategien: Erinnerung als Schlüssel
3. Der »gute Tod«
Sterbeprozesse, Todesrituale und der Ertrag einer ethnologischen Perspektive
3.1 Todesbescheinigungen und Rituale als entscheidende Zäsuren
3.2 Ohnmacht oder Tod?
3.3 Manipulationen des Todes
3.4 Todesvorstellungen als kulturelle Produkte – auch in der westlichen Medizin
3.5 Leben als limitiertes Gut
3.6 »Guter Tod« und »schlechter Tod«
4. Reduziertes Krankheitswissen
Das »Tiermodell« menschlicher Krankheit
4.1 Die Idee vom Tiermodell: Historische Lokalisierung
4.2 Die Natur des Menschen und sein Verhältnis zum Tier
4.3 Das Experiment in der Krankheitslehre
4.4 Die experimentelle Herstellung menschlicher Krankheit im Tier: Julius Cohnheim
5. Medizinische Forschung am Menschen I
Kontextualisierende versus reduktionistische Formen der Forschungsethik
5.1 Wie wird ein Problem definiert? Das Beispiel Demenzforschung
5.2 Bewertung und Rechtfertigung von Forschung: Der Risikobegriff
6. Medizinische Forschung am Menschen II
Reflexive Potenziale historischer Rekonstruktionen
6.1 Die Kontextabhängigkeit von ethischen Begriffen und Problemdefinitionen
6.2 Historische Stationen der Forschung am Menschen im 20. Jahrhundert
6.3 Historische Kenntnisse in aktuellen Ethikdebatten: Systematische Überlegungen
7. Ärzteschaft und Professionalität
Fiktive Autonomie, »hippokratisches Ethos« und Bereitschaft zur Selbstreflexion
7.1 Das historische Argument in der aktuellen Debatte
7.2 Sozialer Status der Ärzte und Professionalität: Historische Entwicklungen
7.3 Normative Implikationen
8. Medizin – eine (Kultur-)Wissenschaft?
Wissenschaftsbegriffe, Handlungskontexte und Menschenbilder in der modernen Heilkunde
8.1 Zur Geschichte der Medizin als (Natur-)Wissenschaft
8.2 Medizin in der Kultur der Gegenwart
8.3 Medizin – eine kulturell desinteressierte Kulturwissenschaft?
Publikationsnachweise
Literatur
Personenregister
»Es war eine Freude, das inhaltlich sehr dichte und kohärent zusammengestellte und sprachlich ausdrucksstark präsentierte Buch zu lesen. Es gehört als Referenzwerk in die Bibliothek aller Akteure im Gesundheitswesen und in der medizinischen Forschung. Das Buch könnte – vielleicht in Form eines Appells an diese – von großer Bedeutung sein, da der Graben zwischen einer ganzheitlich und daher notwendigerweise auch kulturwissenschaftlich am Menschen orientierten Heilkunde, die den Menschen authentischer als das erfasst, was er individuell ist, und der im Westen vorherrschenden biologisch dominierten methodischen Praxis, die zwar ihren wichtigen Stellenwert hat, aber insgesamt zu kurz greift, den Menschen zu grobkörnig kategorisiert und ihm so nicht gerecht wird, heute noch sehr tief zu sein scheint ...«
Robert E. Feldmann, Jr., psychosozial 158, 4/2020
»Das Buch ist wichtig. Es eignet sich für den Unterricht. Der Autor betreibt im besten Sinne des Wortes Aufklärung in der Medizin. Gut so, und gut gemacht
...«
Urban Wiesing, Gesnerus – Swiss Journal of the History of Medicine and Sciences Vol. 76 (2019) No 1
»In bedrückender Intensität beschreibt Volker Roelcke Dynamik und Deutungsmonopol von Vertretern der Biomedizin, die ihre gesellschaftliche Einfluss-Sphäre auszudehnen versuchen. Die seit den 70er Jahren des vergangenen Jahrhunderts wieder einsetzende Biologisierung der Medizin, mit dem Versprechen einer in Zukunft leidensfreien Gesellschaft, herstellbar mithilfe von Humangenetik und molekularer Medizin, ist nach Roelcke ein Beispiel für die ›illustrierende Funktion der Geschichte‹ ...«
Michael Bentfeld & Christian Mürner, VHN – Vierteljahresschrift für Heilpädagogik und ihrer Nachbargebiete 3/2018
»Die zeitgenössische Medizin ist eine ›kulturell desinteressierte Kulturwissenschaft‹. Diese zunächst irritierende These begründet der Autor ausführlich in acht Kapiteln. Prof. Dr. Volker Roeicke ist Direktor des Instituts für die Geschichte der Medizin der Universität Gießen ...«
Michael Bentfeld, Hamburger Ärzteblatt, Ausgabe 2, Februar 2017, 72. Jahrgang
»Sein historisch informierter Blick wirft ein Schlaglicht etwa auf (...) die Rolle der ärztlichen Profession in der Gesellschaft. Letzterer widmet er ein höchst lesenswertes Kapitel ...«
, Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 26. Januar 2018, Nr. 22
»Nein, Schmerzen, das wäre nicht so sehr meins. Wenn ich versuche, einen Nagel in den Tisch zu schlagen, wird mich das nicht zum Fachmann in Sachen Schmerz befördern. Doch das Thema ist aufschlussreich, es wirft die Gewichtungen der medizinischen Forschung über den Haufen, und das ist offensichtlich gut so ...«
Wolf Senff, www.titel-kulturmagazin.net vom 26. Januar 2018
»In seinem Buch plädiert Volker Roelcke, Medizinhistoriker in Gießen, für einen Perspektivenwechsel im medizinischen Denken und Handeln. Vorgestellt wurde das Buch in einem Symposium mit dem Titel ›Zur Bedeutung der Kulturwissenschaften für die Medizin‹ am 25. Oktober 2017 in Gießen, auf dem die Thematik aus den Blickwinkeln von Medizinhistorikern, Sprach- und Kulturwissenschaftlern sowie Medizinjournalisten beleuchtet wurde ...«
Stephan Heinrich Nolte, Dr. med. Mabuse, Nr. 231, Jan./Feb. 2018, 43. Jahrgang
»Psychosoziale Faktoren sind zwar nicht identisch mit Kultur, ihre Wirkung ist aber ein wichtiger Indikator für deren Präsenz auch in der körperlichen Verfassung von Menschen. Dass psychische und soziale Faktoren signifikante und reproduzierbare Auswirkungen auf Krankheitsentstehung und Prognose auch bei gravierenden körperlichen Zuständen haben, kann als gesichert gelten ...«
Paul Kokott, niedersächsisches ärzteblatt, 90. Jahrgang, Dezember 2017
»Der Titel ›Vom Menschen in der Medizin‹ irritiert zunächst: Steht als ›Objekt‹ nicht der Mensch im Fokus? Der Medizinhistoriker Prof. Dr. Volker Roelcke, der an der Justus-Liebig-Universität Gießen lehrt und als Direktor des Instituts für Geschichte der Medizin fungiert, zeigt auf, dass eine humane, am ganzen Menschen orientierte Medizin noch keine Selbstverständlichkeit ist ...«
, Health & Care Management, 8. Jahrgang, Ausgabe 11/2017