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Buchreihe: Bibliothek der Psychoanalyse
328 Seiten, Broschur, 148 x 210 mm
Erschienen: März 2017
ISBN-13: 978-3-8379-2665-1
Bestell-Nr.: 2665
Leseprobe

Destruktive Gruppenprozesse

Entwicklungslinien in der Geschichte der psychoanalytischen Bewegung und Erkenntnisse für gegenwärtige gesellschaftliche Konflikte

Sofort lieferbar. Lieferzeit (D): 4-5 Werktage

Die destruktive Kraft von Polarisierungsprozessen und Gewalt in Gruppen ist allgegenwärtig und von hoher Aktualität. Wie können destruktive Prozesse in verschiedenen Gruppenformationen verstanden, wie in einer tieferen Dimension erklärt und wie begrenzt werden? Diese Fragen untersucht Karin Zienert-Eilts aus einer zugleich historischen und zeitdiagnostischen Perspektive anhand von Gruppenkonflikten innerhalb und außerhalb der psychoanalytischen Bewegung. Ausgehend vom Modell der Controversial Discussions – einschließlich einer Fragebogenerhebung zum gegenwärtigen Stand der Diskurskultur – werden Gruppenprozesse vor dem Hintergrund der psychoanalytischen Erkenntnisse Sigmund Freuds, Melanie Kleins und Wilfred Bions theoretisch reflektiert.

Zienert-Eilts skizziert darüber hinaus die Konturen eines Entwicklungsmodells der Gruppendynamik und entwickelt psychoanalytisch begründete Kriterien zur Konfliktbewältigung für die Arbeit mit Gruppen im sozialen Feld. Dabei ist von ausschlaggebender Bedeutung, die Unvermeidbarkeit destruktiver Kräfte anzuerkennen, die unabschließbar in ein beständig aktives und oszillierendes Wechselspiel von konstruktiv-lebensbejahenden und gewalttätig-zerstörerischen Prozessen eingebunden sind.
Einleitung

I. Die psychoanalytische Bewegung

1. Zur Spezifität des Untersuchungsgegenstandes

1.1 Methodologische Überlegungen

1.2 Rezeptions- und Bewertungsprozesse in der Geschichtsschreibung der Psychoanalyse

2. Strukturbildungsprozess und Konfliktpotenzial der Organisation der psychoanalytischen Bewegung

2.1 Historischer Abriss
2.1.1 1902 bis 1910: Sigmund Freuds »exquisit geselliges Unternehmen« – Wechselfolge zwischen
dyadischen Beziehungen und Gruppenbildungen
2.1.2 Die neue Vergesellschaftungsform der »Freiwilligen Vereinigungen«
2.1.3 Die Gründung der IPV
2.1.4 Freud und Jung: Die Bedeutung C. G. Jungs für Sigmund Freud


II. Konfliktbewältigungsmodelle der psychoanalytischen Bewegung

1. Das »Geheime Komitee«
Ein Konfliktbewältigungsversuch

1.1 Historischer Kontext: Parameter der Gründung 1912
1.1.1 Das »Geheime Komitee« als Ersatz für C.G. Jung
1.1.2 Geheimhaltung und Intrige
1.1.3 Sigmund Freud als emotionales Zentrum der Kerngruppe des Komitees
1.1.4 Unterschiedliche Schwerpunkte im Selbstverständnis der Komitee-Mitglieder am Beispiel
von Ernest Jones’ umstrittener »Verpflichtung«

1.2 Die Struktur des Komitees
1.2.1 Asymmetrie der Gruppenstruktur und Sigmund Freuds Zwiespalt
1.2.2 Die Verschränkung von inoffizieller und offizieller Ebene 70
1.2.3 Die vielfältigen Ebenen der Kommunikationsstruktur

1.3 Konfliktentwicklung und Untergruppenbildungsprozesse im Komitee
1.3.1 Konflikte und Veränderungen in der Komitee-Gruppe
1.3.2 Der Prozess der Untergruppenbildung im Komitee 1918–1923
1.3.3 Sándor Ferenczi und die Bedeutung der Position des »Dritten«
1.3.4 Polarisierung in der Rank-Krise 1924: Ein Schlüsselkonflikt
1.3.5 Der Beitrag Sigmund Freuds in der Rank-Krise: Die Weitergabe der Abraham-Briefe
1.3.6 Der Zersetzungsprozess des Komitees
1.3.7 Wiederherstellungsbemühungen, Wiederholung der Destruktion und Scheitern

1.4 Die Bedeutung Sigmund Freuds als Führungs- und Leitfigur
1.4.1 Sigmund Freuds zwiespältige Führungsposition: Primus inter pares und unbestreitbare Autorität zugleich
1.4.2 Sigmund Freuds Diplomatie und Führungsstil in Konflikten: Zwischen dem Prinzip des Sowohl–als–Auch und der Parteinahme
1.4.3 Misslingen der Triangulierung
1.4.4 Sigmund Freuds Angst um sein Werk

1.5 Zusammenfassung: Parameter für das Scheitern des Komitees

1.6 Die Bedeutung des »Geheimen Komitees« im Rahmen des Institutionalisierungsprozesses
der psychoanalytischen Bewegung

2. Die Controversial Discussions der British Psychoanalytical Society 1941–1946
Ein wissenschaftsorientiertes Modell zur Überwindung der Polarisierung

2.1 Historischer Kontext: Determinanten des Polarisierungsprozesses
2.1.1 Wissenschaftliche Kontroversen: Berlin – Wien, London – Wien, Melanie Klein – Anna Freud
2.1.2 Persönliche Animositäten: Melanie Klein und Melitta Schmideberg
2.1.3 Kritik an dem Führungsstil des Vorstandes
2.1.4 Gruppenbildung: Die Ankunft der Freuds in London und der Zweite Weltkrieg
2.1.5 Affektive Aufladung, Polarisierung und Eskalation
2.1.6 Die Middle Group

2.2 Die Organisationsstruktur der Controversial Discussions
2.2.1 Die Resolutionen und die Geschäftssitzungen
2.2.2 Die wissenschaftlichen Diskussionen
2.2.3 Das »Gentlemen’s« bzw. »Ladies’ Agreement«

2.3 Die Controversial Discussions heute

2.4 Zusammenfassung

3. Die Seeon-Konferenz der Deutschen Psychoanalytischen Organisationen 1996
Ein
psychoanalytisch orientiertes Modell zur Überwindung gruppenfeindlicher Identitätsbildung und Spaltung

3.1 Historischer Kontext
3.1.1 Anfänge, Blüte und Zerstörung der Psychoanalyse in Deutschland
3.1.2 Die Spaltung der psychoanalytischen Gemeinschaft

3.2 Die Group Relations Conferences
3.2.1 Das Gruppenkonzept Wilfred R. Bions: Die »Grundannahmegruppe«
3.2.2 Das Tavistock-Leicester-Modell: Organisationsstruktur und Methode
3.2.3 Die Anwendung auf zwei nationale Gruppen und auf die nationale Gruppenspaltung von Psychoanalytikern

3.3 Ergebnisse der Seeon-Konferenz heute

3.4 Zusammenfassung

4. Ergebnisse der historischen Analyse
Parameter für Scheitern und Gelingen der Konfliktlösungsmodelle in Gruppen

4.1 Die Ergebnisse
4.1.1 Die Parameter im Einzelnen bezogen auf die drei Konfliktbewältigungsmodelle
4.1.2 Diskussion einzelner Ergebnisse bezogen auf die drei Konfliktbewältigungsmodelle

4.2 Triangulierung als das zentrale Prinzip der Konfliktbewältigungsstrukturierung

III. Zur Aktualität von Polarisierungsprozessen und Triangulierungskonzepten in Gruppen

1. Destruktive Konfliktentwicklung in Gruppen und in gesellschaftlichen Bewegungen heute

1.1 Die Spannbreite destruktiver Gruppenprozesse im sozialen Feld

1.2 Fazit und weiterführende Fragen 237

IV. Was eigentlich geschieht in Gruppen?

1. Zur Entwicklung der Gruppenforschung

2. Die Grundlagenforschung Wilfred R. Bions und die Entwicklung der Gruppentheorie

2.1 Wilfred R. Bions biografischer Hintergrund

2.2 Wilfred R. Bions Grundhaltung des Nichtverstehens (»no understanding«)

2.3 Wilfred R. Bions Beobachtungen in Gruppen

2.4 Theoretischer Hintergrund: Sigmund Freud und Melanie Klein

3. Weiterführungen der Gruppentheorie Wilfred R. Bions: Herbert A. Rosenfeld und Otto F. Kernberg

4. Die Relevanz der Gruppentheorie von Wilfred R. Bion

4.1 Zum Verständnis der historischen und der gegenwärtigen Beispiele

4.2 Die »Siegburger Tat«

5. Zusammenfassende Überlegungen zur Grundlage von Konfliktbewältigungskonzepten in der Praxis

V. Wie können Polarisierungsprozesse begrenzt werden?

Zusammenfassung und Ausblick

VI. Anhang

Umfrage zur gegenwärtigen Situation der Controversial Discussions in der BPAS
Design
Der Fragebogen
Rücklauf
Auswertung
Ergebnisse
Diskussion
Zusammenfassung

Kriterien zur Begrenzung von Polarisierungsprozessen aus psychoanalytischer Sicht

Abkürzungen
Briefwechsel

Literatur

Danksagung

»Das Buch besticht durch seine Detailfreude. Insbesondere das historische Material, das Zienert-Eilts zum ›Geheimen Komitee‹ zusammengetragen hat, ist ausgezeichnet und lesenswert ...«

Hans-Peter Griewatz, FoRuM Supervision – Onlinezeitschrift für Beratungwissenschaft und Supervision, Heft 50, Oktober 2017, 25. Jahrgang

»Wie fruchtbar diese Analyse ist, zeigt Zienert-Eilts abschließend in der Anwendung ihrer Ergebnisse auf polarisierte Gruppenprozesse der Gegenwart: etwa auf die Inklusionsdebatte, die Flüchtlingskrise oder das Beispiel einer grausamen Mordtat in einem Jugendgefängnis (»Siegburger Tat«). Sie demonstriert auch, wie fatal sich die Passung zwischen einem narzisstisch-destruktiven Führer und einer Großgruppe auswirken kann. Damit ist die übergreifende Relevanz der hier vorgestellten psycho- und gruppenanalytischen Überlegungen eindrucksvoll belegt. Neben einer breiten Rezeption außerhalb der Psychoanalyse wäre es dem Buch ebenso zu wünschen, dass die psychoanalytischen Institute und Institutionen die hier enthaltenen Gedanken rezipierten ...«

Wolfgang Hegener, PSYCHE, Zeitschrift für psychoanalytische Theorie und ihre Anwendungen, 73. Jahrgang, Heft 6, Juni 2019

»Wo immer sich Gruppen zusammenfinden, sei es aus freien Stücken oder notgedrungen, in Organisationen oder in freien privaten Zusammenschlüssen – früher oder später kommt es unausweichlich zu Konflikten  ...«

Lisa Tomaschek-Habrina, www.lisatomaschek.at vom 7. März 2018

»In jüngster Zeit hat sich die politische Weltlage zunehmend polarisiert, eine bedrohliche Entwicklung, ein destruktiver Prozess, so jedenfalls scheint es.
Wer nun aber dieses Buch liest, wundert sich vielleicht doch ein wenig, wie phasenweise heillos zerstritten und gespalten die psychoanalytischen Bewegungen offenbar bereits zu Beginn ihrer Geschichte gewesen sind
 ...«

Konrad Heiland, Counseling Journal für Beratung, Pädagogik & Psychotherapie, Verbandszeitschrift des BVPPT, Ausgabe 15, November 2017