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Buchreihe: Forschung Psychosozial
371 Seiten, PDF-E-Book
Erschienen: April 2016
ISBN-13: 978-3-8379-6802-6
Bestell-Nr.: 6802
Leseprobe

Zeugenbetreuung von Holocaust-Überlebenden und Widerstandskämpfern bei NS-Prozessen (1964-1985) (PDF)

Zeitgeschichtlicher Hintergrund und emotionales Erleben

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Als die Opfer des Holocaust und WiderstandskämpferInnen 1964 als Zeuginnen und Zeugen im Auschwitzprozess erstmals wieder nach Deutschland reisten, befand sich die psychologische Traumaforschung noch in ihren Anfängen. Bevor sich PsychologInnen, TherapeutInnen, JournalistInnen und JuristInnen dem Thema stellen konnten, gründete sich ein erster Betreuerkreis und leistete in Sachen Vergangenheitsbearbeitung Pionierarbeit. Trotz ihres Beitrags zu einer bundesweiten Erinnerungskultur und ihrer Leistung hinsichtlich des transnationalen Dialogs mit den Opfern führt die Zeugenbetreuung in der wissenschaftlichen Forschung noch heute ein Schattendasein.

Funkenberg befasst sich im vorliegenden Buch mit der Zeugenbetreuung bei NS-Prozessen und beleuchtet insbesondere die Motivation der Betreuerinnen und Betreuer für ihr Engagement, die emotionale Herausforderung der Betreuungsarbeit und die psychische Verfassung der OpferzeugInnen. Anhand von Interviews, Briefen und Berichten belegt sie die Einzigartigkeit der Begegnungen von ZeugenbetreuerInnen mit Holocaust-Überlebenden und WiderstandskämpferInnen.
1. Einleitung
1.1 Zeugen vor Gericht
1.2 Offene Fragen und Vorannahmen
1.3 Forschungsstand
1.4 Quellen, Methoden und Aufbau

2. Die Zeugenbetreuung in ihrer Zeit
2.1 Historischer Kontext
2.1.1 Die 1950er Jahre
2.1.2 Die 1960er Jahre
2.1.3 Die 1970er Jahre und frühen 1980er Jahre
2.1.4 Zwischenfazit
2.2 Psychologische Sicht auf die Spätfolgen von Konzentrationslagerhaft in den 1960er Jahren
2.3 Opferschutz zu Zeiten der NS-Prozesse?
2.4 Die Spezifik von Strafverfahren gegen nationalsozialistische Gewaltverbrecher
2.4.1 Möglichkeiten, Grenzen und Probleme in Verfahren gegen NS-Gewaltverbrecher
2.4.2 Die besondere Problematik des Zeugenbeweises
2.4.3 Zwischenfazit

3. Der institutionelle Rahmen der Betreuung
3.1 Die erste Betreuungsinitiative in Frankfurt am Main
3.2 Entstehung eines bundesweiten Netzwerks
3.2.1 Zeugenbetreuung in Darmstadt
3.2.2 Zeugenbetreuung in Hamburg
3.2.3 Zeugenbetreuung in Düsseldorf
3.2.4 Zeugenbetreuung in Hagen
3.3 Zwischenfazit

4. Die emotionalen Aspekte von Zeugenschaft und Betreuung
4.1 Oral History
4.1.1 Erhebungsmethoden
4.1.2 Feldforschung
4.1.3 Auswertung
4.2 Emotionales Erleben
4.2.1 »Lang und bitter war der Weg für mich deshalb, weil ich voller Begeisterung für das Dritte Reich war.« – Zeugen- und Betreuerbiografien
4.2.2 »Ich glaube, in meiner Generation wird man kaum jemanden finden, der über den Nationalsozialismus wirklich aufgeklärt wurde.« – Die ›Vorgeschichte‹
4.2.3 »Es ist das Einzige, was man tun kann: Zeugnis abzugeben.« – Die Angst vor der Aussage und der Wunsch zu berichten
4.2.4 »Wichtig erscheint mir vor allem, dass die Zeugen begrüßt werden, dass ihnen jemand vor der Vernehmung ›Guten Tag‹ sagt und sie nach ihren Wünschen fragt.« – Der erste Kontakt
4.2.5 »Das war ein sehr schwerer Moment in meinem Leben, dieser Prozess.« – Zeugen und Betreuer im Gerichtssaal
4.2.6 »In meiner Erinnerung ist immer nur Sonne.« – Begegnung und Freundschaft
4.2.7 »Ich wurde mit dem Holocaust-Virus infiziert, und seither hab’ ich eine zweite Haut.« – Psychische Belastung der Zeugenbetreuer
4.2.8 »Fast täglich erreichen mich Briefe.« – Langfristige Kontakte und neue Perspektiven
4.2.9 »Aber insgesamt war die Stimmung auch in den 80er Jahren nicht so, dass das [die Zeugenbetreuung] so selbstverständlich war.« – Zeitgeist und gesellschaftliche Rahmenbedingungen
4.3 Zwischenfazit

5. Zeugen und Betreuer in der Öffentlichkeit
5.1 Rundfunk
5.2 Printmedien
5.3 Öffentliche Auftritte
5.4 Zwischenfazit

6. Zeugenbetreuung heute
6.1 »(K)eine Zeit für Qualitätsstandards?« – Zeugenbetreuung in Deutschland
6.2 Der Einzug in die Praxis – Die Gründung des International Criminal Court (ICC)
6.3 Das psychosoziale Trauma – Neue Forschungsansätze in der Arbeit mit Überlebenden schwerer Menschenrechtsverletzungen

7. Fazit

Dank

Literatur

»Merle Funkenberg hat für ihr Buch ›Zeugenbetreuung von Holocaust-Überlebenden und Widerstandskämpfern bei NS-Prozessen‹ trotz zum Teil dürftigster Quellenlage diese Geschichte rekonstruiert. Erst ab Anfang der 1970er-Jahre nahmen Bevölkerung und Politik die Zeugen und deren Schicksale wirklich zur Kenntnis  ...«

Ernst-Jürgen Wahlberg, Gegen Vergessen – Für Demokratie | Nr. 92 / März 2017

»Merle Funkenberg legt hier die erste wissenschaftliche Arbeit über die Zeugenbetreuung bei den NS-Prozessen und die Anfänge von organisierter Zeugenbetreuung überhaupt vor. Es ist der sorgfältige Bericht über überraschend umfangreiches, so Funkenberg, bürgerschaftliches Engagement einer großen Zahl von jüngeren und älteren, für diese Aufgabe völlig unvorbereiteten Menschen  ...«

Renate Jorkowski, gruppenanalyse, 27. Jahrgang, Heft 2, 2017

»Über die psychischen Spätfolgen der in den NS-Prozessen bis in die 1980er-Jahre als Zeugen auftretenden Holocaust-Überlebenden und Widerstandskämpfer liegen bislang nur wenige Untersuchungen vor. Dem elementaren Kriterium in diesem Kontext – dem Opferschutz – ist seinerzeit kaum Beachtung zuteil worden. Erst im Laufe der Zeit konnte eine professionalisierte Zeugenbetreuung installiert werden  ...«

Hartmut Rübner, Zeitschrift für Geschichtswissenschaft, Heft 6/2017

»Tausende jüdische Überlebende reisten nach dem Krieg ins ›Land der Täter‹, um in bundesdeutschen Gerichtsverfahren auszusagen. Sie kamen vor allem aus Osteuropa und Israel  ...«

Beate Meyer, Archiv für Sozialgeschichte 57, 2017

»Mit ihrem interdisziplinären Ansatz bietet die vorliegende Arbeit wertvolle Ansätze, Hintergründe und Informationen für eine breite Leserschaft – nicht nur aus dem Bereich der Rechtswissenschaft, Politologie, Geschichte oder Soziologie. Damit schließt dieser Band eine Forschungslücke im Zusammenhang mit den Prozessen gegen nationalsozialistische Gewaltverbrechen und leistet einen wertvollen Beitrag sowohl zu einer bundesweiten Erinnerungskultur als auch zum transnationalen Dialog mit den Opfern  ...«

Felicitas Söhner, neue politische literatur 3/2016

»Die Tätigkeit und die Erfahrung der Zeugenbetreuer haben, so wird dank Funkenbergs Beitrag überzeugend deutlich, wohl einen nicht unerheblichen Beitrag zur Entwicklung des Opferschutzes und der Viktimologie in Deutschland beigetragen und diese Pionierarbeit der Zeugenbetreuer verdient eine deutliche Würdigung in Wissenschaft und Öffentlichkeit  ...«

Charlotte Kitzinger, www.holocaustliteratur.de

»Bei der schwierigen Quellenlage – die Presse berichtete zunächst kaum und die Betreuer/-innen selbst hinterließen selten Aufzeichnungen, die in Archive gelangten oder gar publiziert wurden – ist es ein großes Verdienst der Arbeit, so viele Informationen über dieses weitgehend unbekannte zivilgesellschaftliche Engagement zusammengetragen zu haben  ...«

Katharina Stengel, Einsicht 16. Bulletin des Fritz Bauer Instituts. Hebst 2016

»Es ist zu hoffen, dass die Interviews in Zukunft anderen Forscherinnen und Forschern für eine Zweitauswertung zur Verfügung stehen. Denn eine Analyse solcher mündlichen Quellen kann lohnend sein, wenn man sich für eine biographisch orientierte Erfahrungsgeschichte von Akteuren der Erinnerungskultur interessiert  ...«

Linde Apel, H-Soz-Kult. Kommunikation und Fachinformation für die Geschichtswissenschaften

»Die Untersuchung von Merle Funkenberg bewahrt die Erinnerung an die Betreuung von Opferzeugen in den NS-Verfahren nach Mitte der 1960er Jahre. Mit der ausführlichen Darstellung der zeitgeschichtlichen Umstände und der juristischen Fragen wird nachvollziehbar, warum gerade bei den Betreuern häufig eine große Unzufriedenheit mit den Urteilen bestand  ...«

Peter E. Kalb, www.socialnet.de