Ruth Stein

Das Böse als Liebe und Befreiung: Zur psychischen Verfassung religiös motivierter Selbstmordattentäter

Psyche, 2005, 59(2), 97-126

Die Analyse eines Briefs an die Flugzeugentführer, gefunden im Gepäck des Terroristen M. Atta in dem Wagen, der vor dem Anschlag auf das World Trade Center am Logan Airport zurückgelassen wurde, soll helfen, den psychischen Zustand religiös motivierter Selbstmord-Attentäter zu verstehen. Anders als erwartet, ist der Brief in einem feierlichen, gelassenen, sogar freudigen Ton gehalten, geprägt von Liebe zu Gott und einem starken Wunsch, ihm zu ... [ mehr ]

Thomas Stark

Die masturbatorische Position und der Ausschluss der Verführung. Eine situationstheoretische Konzeption und ihre technischen Folgen

Psyche, 2005, 59(1), 1-33

Ausgehend von Freuds Unterscheidung der Neurosen in Aktualneurosen mit psychischer Unzulänglichkeit und Masturbation einerseits und in Abwehrneuropsychosen mit psychischem Mechanismus und adäquater sexueller Aktion andererseits wird informiert über die psychoanalytische Behandlung einiger Patienten mit psychischer Unzulänglichkeit , bei denen die Masturbation die hautsächliche sexuelle Praxis war. In den Analysen kam es zu einem ... [ mehr ]

Volkmar Sigusch

Anfänge der modernen Sexualwissenschaft

Psyche, 2005, 59(11), 1061-1080

Die Anfänge der modernen Sexualwissenschaft werden erörtert. Als Freud vor hundert Jahren seine epochalen Drei Abhandlungen zur Sexualtheorie veröffentlichte, blickte die moderne Sexualwissenschaft bereits auf ein halbes Jahrhundert zurück: Paolo Mantegazza (1831-1912) und Karl Heinrich Ulrichs (1825-1898) hatten nicht nur ein umfangreiches Werk vorgelegt; sie hatten auch Ideen der sexuellen Freiheit und geschlechtlichen Gerechtigkeit vertreten, die ... [ mehr ]

Peter Schneider

(In) den Narzißmus einführen. Ein Kommentar zu Freuds »Zur Einführung des Narzißmus«

Psyche, 2005, 59(4), 316-335

Als Sigmund Freud 1914 den Narzissmus in die psychoanalytische Theorie einführt, ist dieser Begriff keineswegs neu. Die Vorstellung einer libidinösen Ichbesetzung bringt aber die bisherigen triebtheoretischen Konzeptionen vollständig durcheinander. Freud reagiert mit der Narzissmusarbeit auf die Theorien Alfred Adlers, vor allem jedoch auf die von C. G. Jung. Der Versuch einer Abgrenzung von C. G. Jung bringt ihn in die ungewollte Nähe zu dessen ... [ mehr ]

Jörg M. Scharff

Das Sexuelle in der psychoanalytischen Praxis oder: Wie weit reicht das Frankfurter Rotlichtviertel?

Psyche, 2005, 59(11), 1047-1060

Im Rahmen eines psychoanalytischen Beitrags wird gezeigt, dass sich in der Arbeit mit psychoneurotischen Patienten Abkömmlinge polymorph-perverser Triebregungen aktualisieren können, die sich aus dem Unbewussten des Patienten und des Analytikers speisen. Es handelt sich hier nicht nur um Phantasien, sondern oft auch um Mini-Enactments , die sich sowohl paraverbaler wie verbaler Kommunikationsmodi bedienen. Die Einsicht in die Reinszenierung ödipal kollusiver ... [ mehr ]

Christa Rohde-Dachser

Sprich mit ihr (Hable con ella)

Psyche, 2005, 59(12), 1211-1218

Vorgelegt wird eine psychoanalytische Interpretation des Films Sprich mit ihr (im Original: Hable con ella) von Pedro Almodovar. Der Film, dessen Thema eine alle Grenzen überschreitende Liebe ist, die auch vor dem Tod nicht halt macht, handelt von der Freundschaft zweier Männer, die sich am Krankenbett ihrer jeweiligen Geliebten kennen lernen. Alicia ist eine junge Ballettschülerin, die nach einem Autounfall im Koma liegt und von dem Krankenpfleger Benigno ... [ mehr ]

Ulrike Prokop

»Essstörungen« - Goethes »Wahlverwandtschaften« als Krankengeschichte gelesen

Psyche, 2005, 59(5), 395-430

Goethes Roman Wahlverwandtschaften wird aus psychoanalytischer Perspektive als Krankengeschichte und als die Geschichte einer Magersucht interpretiert. Dabei stehen die folgenden Aspekte im Mittelpunkt: Goethe hat Ottilie als überirdisch liebliches Wesen von himmlischer Sanftmut idealisiert und doch zugleich alle Elemente der Krankengeschichte einer Hysterikerin in seinem Text versammelt; die tödliche Rivalität zwischen Tochter und Mutter, der ... [ mehr ]

Tomas Plänkers

Sprechen im Klaustrum. Zur Psychodynamik des Stotterns

Psyche, 2005, 59(3), 197-223

Es wird im Überblick informiert über die bisherigen psychoanalytischen Theorien des Stotterns. Ausgehend von der Psychoanalyse eines Stotterers und einer Diskussion des Materials, der Übertragungs- und Gegenübertragungsprozesse, wird in Verbindung mit Donald Meltzers Theorie des Klaustrums eine neue Hypothese zur Psychodynamik des Stotterns vorgestellt. Demnach verarbeitet der Stotterer unerträgliche Erfahrungen der Trennung vom Primärobjekt ... [ mehr ]

Franz Peter Plenker

Zum Konzept der Gegenübertragung - Ursprünge und Grundzüge kleinianischer Weiterentwicklungen

Psyche, 2005, 59(8), 685-717

Die Entwicklung des psychoanalytischen Gegenübertragungsbegriffs in der Zeit nach Freud wird rekonstruiert. Freuds Empfehlung, die eigene Emotionalität zum Schutz vor den Auswirkungen der Übertragung auf den Analytiker beiseite zu drängen, hatte zur Folge, dass Gegenübertragungsgefühle primär als eine Quelle von Unannehmlichkeiten angesehen und unterdrückt wurden. Ende der vierziger Jahre erhoben sich Einwände gegen diese ... [ mehr ]

Paul Parin

Ethnopsychoanalytische Erfahrungen mit einer Kulturdifferenz. Mitteleuropa trifft Westafrika

Psyche, 2005, 59(2), 162-168

Ethnopsychoanalytische Betrachtungen zur Kulturdifferenz zwischen Westafrika und Europa werden angestellt. Die Grundlage dieser Betrachtungen bilden Erfahrungen, die von G. Parin-Matthèy, F. Morgenthaler und P. Parin im Rahmen von sechs Expeditionen zwischen 1954 und 1971 mit Menschen in Westafrika gewonnen wurden. Ausgehend vom Hinweis auf die verzerrte Wahrnehmung von Afrikanern durch die Perspektive der eigenen europäischen Identität wird geschildert, ... [ mehr ]

Ulrich Moser

Transformationen und affektive Regulierung in Traum und Wahn

Psyche, 2005, 59(8), 718-765

Überlegungen zum psychoanalytischen Wahnbegriff werden angestellt. Wahn wird dabei gesehen als eine Ansammlung von Mikrowelten besonderer Art, die auch Transformationen enthält, die sich im Traum nicht finden. Das hängt damit zusammen, (1) dass die affektive Regulierung im Wahn (Desaffektualisierung, direkte Sicherheitsregulierung) andere kontextuelle Bedingungen und Möglichkeiten schafft, als sie in Poesie und Traum gegeben sind, und (2) dass ... [ mehr ]

Christine Morgenroth

Subjektives Zeiterleben, gesellschaftliche Entgrenzungsphänomene und depressive Reaktionen. Ein sozialpsychologischer Versuch

Psyche, 2005, 59(9-10), 990-1011

Angesichts des tiefgreifenden Wandels von der Industrie- zur Informationsgesellschaft fragen sozialpsychologische Untersuchungen nach den Strukturveränderungen im Subjekt. Der Wandel kultureller Leitnormen - von der Zeitstruktur der Beschleunigung zur Simultaneität - und vor allem deren Folgen werden auf der Subjektebene durch Realitätsentzug dissoziativ abgewehrt, um die wachsenden Selbst- und Fremdansprüche intern aufrechtzuerhalten. An zwei ... [ mehr ]

Hans-Geert Metzger

Über die Angst der Väter vor der frühen Kindheit - psychoanalytische Überlegungen

Psyche, 2005, 59(7), 611-628

Die Bedeutung des Vaters für die Entwicklung des Kindes ist im psychoanalytischen Verständnis der letzten Jahre deutlich erweitert worden. Bereits im ersten Lebensjahr kann der Vater eine eigenständige Rolle für das Kind einnehmen. Aber obwohl viele Väter ein neues Rollenverständnis entwickeln möchten, bleibt häufig eine große Scheu im Umgang mit dem Kleinkind. Es wird die These vertreten, dass Väter häufig den Umgang ... [ mehr ]

Frank Matakas & Elisabeth Rohrbach

Zur Psychodynamik der schweren Depression und die therapeutischen Konsequenzen

Psyche, 2005, 59(9-10), 892-917

Ausgehend von Beobachtungen depressiver hospitalisierter Patienten werden die bestehenden psychoanalytischen Konzepte der Depression überprüft. Depression setzt eine individuelle psychische Disposition voraus, manifestiert sich aber nur in einer Objektbeziehung. Sie ist eine Hemmung psychischer Funktionen, wahrscheinlich auf organischer Basis, ausgelöst durch einen psychischen Konflikt. Die Hemmung bewirkt, dass psychische Funktionen nur auf einem regressiven ... [ mehr ]

Sebastiano Maffettone

Neue Identitäten

Psyche, 2005, 59(7), 629-662

Psychoanalytische Überlegungen zum Identitätsbegriff werden angestellt. Einleitend wird darauf hingewiesen, dass die von Freud so stark betonte Spannung zwischen Ratio und Triebwunsch dazu zwingt, die kantianischen Modelle des Subjekts, die diese Spannung herunterspielen, einer kritischen Reflexion zu unterziehen. Diese Neubetrachtung wiederum lässt das Verhältnis von Motivation und Begründung weniger problematisch erscheinen. Außerdem wird ... [ mehr ]

Marianne Leuzinger-Bohleber

Chonifizierende Depressionen: eine Indikation für Psychoanalysen und psychoanalytische Langzeitbehandlungen

Psyche, 2005, 59(9-10), 789-815

Die Depression wird nach Prognosen der WHO 2020 zur zweithäufigsten Volkskrankheit werden. Ihre Behandlung wird zunehmend auch als gesellschaftlich relevantes Problem erkannt. Doch sind die Rückfallquoten auf jede Form der Kurzbehandlung sehr hoch. Bezugnehmend auf Einsichten aus der Ergebnisstudie psychoanalytischer Langzeitbehandlungen der DPV und anderer Therapiestudien wird postuliert, dass Psychoanalysen und psychoanalytische Langzeittherapien als die ... [ mehr ]

Guy Laval

Das psychische Funktionieren in der Verneinung

Psyche, 2005, 59(4), 336-360

Die französische Übersetzung von S. Freuds Begriff der Verneinung als dénégation wirft Fragen auf, deren Klärung möglicherweise zu einem besseren Verständnis des Begriffs beitragen kann. Eine genaue Übersetzung sollte in Betracht ziehen, dass Freud mit diesem Ausdruck einen neuen, genuin psychoanalytischen Begriff einführte, der außer der Entlehnung des Wortes aus dem Deutschen nichts mit dem zu tun hat, was man bis ... [ mehr ]

Fritz Lackinger

Persönlichkeitsorganisation, Perversion und Sexualdelinquenz

Psyche, 2005, 59(11), 1107-1130

Das psychoanalytische Konzept der Perversion als psychopathologische Struktur ist nach wie vor aktuell, vor allem wenn man es mit der psychoanalytischen Theorie der Persönlichkeitsorganisation verbindet. Perversionen können einen relativ dissoziierten Platz im Rahmen einer neurotischen Persönlichkeitsorganisation einnehmen, sie können sich aber im Rahmen einer Borderline-Persönlichkeitsorganisation in mehr oder minder großem Ausmaß auf ... [ mehr ]

Johannes Kipp, Esther Buck & Michael Gross

Depressionen im dritten und vierten Lebensalter

Psyche, 2005, 59(9-10), 944-963

Depressive Erkrankungen werden mit zunehmendem Alter nach epidemiologischen Untersuchungen nicht häufiger, sie bekommen jedoch eine besondere Färbung durch körperliche Beschwerden. Wie in früheren Lebensjahren ist der Verlust bzw. die kränkungsbedingte Aufgabe des ambivalent besetzten Liebesobjekts, verbunden mit der Unfähigkeit zu trauern, Auslöser für dessen Introjektion und damit für die Depressionsentstehung. Die ... [ mehr ]

Ingrid Kerz-Rühling

Wie beurteilen Patienten ihre Erfahrung in einer psychoanalytischen Ambulanz? Eine katamnestische Untersuchung psychoanalytischer Erstinterviews

Psyche, 2005, 59(7), 589-610

Die Erfahrungen, die Patienten mit Erstinterviews in einer psychoanalytischen Ambulanz machen, sind ausschlaggebend für ihre weitere Behandlung. Um die Erwartungen der Ratsuchenden und ihre nachträgliche Beurteilung der Erstkontakte besser zu erfassen, wurden 460 Patienten, die im Jahr 2000 die Ambulanz des Sigmund-Freud-Instituts aufgesucht hatten, durchschnittlich 24 Monate später nach dem Ergebnis der Erstinterviews befragt. Zur Einschätzung ihrer ... [ mehr ]

Abraham B. Jehoschua

Das Unbehagen in der Kultur

Psyche, 2005, 59(12), 1139-1153

Fokussiert auf die künstlerisch-schöpferische Seite der Kultur, wird der Aktualität von Freuds Abhandlung Unbehagen in der Kultur anhand von fünf Fragenkomplexen nachgegangen: Wesen und Art des Behagens , das Kultur bereiten soll; Gründe für die Anfälligkeit für Aggression der europäischen Kulturvölker im 19. und 20. Jahrhundert; Umgang mit Aggression in der heutigen Kultur; Stellung der Religion sowie Beschaffenheit ... [ mehr ]

Hans Holderegger

Inszenierung und Verwandlung

Psyche, 2005, 59(2), 145-161

Eine Neuformulierung des psychischen Apparats der Psychoanalyse wird vorgelegt, erweitert um die Konzeption einer vitalen basalen Lebensorganisation, die auf den Forschungen der Neurowissenschaften und der Bedeutung des limbisch-affektiven Systems gründet. Dabei werden unter anderem die folgenden Thesen aufgestellt und erörtert: Ich-Struktur und Ich-Bewusstsein ruhen auf dieser basalen Lebensorganisation im Es auf und ermöglichen menschliche Kultur und Kunst ... [ mehr ]

Hans Holderegger

Johann Wolfgang Goethe: »Willkommen und Abschied«

Psyche, 2005, 59(12), 1197-1210

Die textnahe Interpretation von Goethes frühem Gedicht Willkommen und Abschied verdichtet sich zu dem Befund, dass der Dichter darin eine Art implizites Beziehungswissen, also frühe Beziehungsstrukturen zur Darstellung bringt, bzw. ein frühes Trauma inszeniert. Die weitergehende These lautet, dass diese innere Struktur auch in anderen frühen Werken Goethes zu entdecken sind. Der Beitrag schließt mit allgemeinen Anmerkungen zur psychoanalytischen ... [ mehr ]

Mathias Hirsch

Über Vampirismus

Psyche, 2005, 59(2), 127-144

Der Mythos vom Vampir wird aus psychoanalytischer Perspektive erörtert. Es wird deutlich gemacht, dass dieser Mythos das gewaltsame traumatische Berauben von Lebenskraft eines Unschuldigen durch einen Mächtigen beschreibt, der auf dessen Kosten lebt und gleichzeitig das Opfer in einen ebenso gewaltsamen Täter verwandelt. Die englische romantische Literatur des 19. Jahrhunderts hat sich des Stoffs angenommen, und es finden sich dort erstaunliche Parallelen zu ... [ mehr ]