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22 Seiten, PDF-E-Book
Erschienen: Juni 2003
Bestell-Nr.: 21004
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Burkard Sievers

Rache und Vergeltung aus der Sicht Melanie Kleins (PDF)

Freie Assoziation 2003, 6(2), 7-28

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In diesem Beitrag werde ich das Verständnis Melanie Kleins von Vergeltung und Rache aufzeigen, denen in ihrem Werk insofern eine grundlegende Bedeutung zukommt, als diese nicht – wie bei manchen anderen psychoanalytischen Autoren – als sekundäre Phänomene bzw. als Ausdruck einer frühen pathologischen Fehlentwicklung verstanden werden. Klein schreibt diesen Phantasien und Gefühlen vielmehr eine konstitutive Bedeutung für die ›Menschwerdung‹ des Säuglings und Kleinkindes zu, wobei der Wunsch nach Vergeltung eine Reaktion auf die Verfolgungsängste bedeutet, die den Säugling während der ersten Monate seines Lebens in der paranoid-schizoiden Position beherrschen. Sie trägt damit insofern zu einer Entpathologisierung von Vergeltungsängsten und Rachegefühlen bei, als davon ausgegangen werden muss, dass die Abwehr und Bewältigung elementarer Verfolgungsängste ebenso wie die damit einhergehenden Vergeltungs- und Rachedynamiken unwiderrufbar zu eben jener psychischen Realität und Erfahrung zählen, in denen die Welt des Erwachsenen wurzelt. Das darf jedoch nicht dahingehend missverstanden werden, als würde Melanie Klein letztlich einer pessimistischen und resignativen Psychologie das Wort reden. Statt auf einer gegen das Selbst gerichteten Aggressivität basiert ihre ›Ethik‹ vielmehr auf Liebe; die Fähigkeit des reifen Individuums zur Besorgnis für das Wohlergehen des anderen, resultiert aus seiner Fähigkeit, sich mit dem Leiden anderer zu identifizieren. Durch die Unterscheidung von Rache und Rachsucht wird deutlich, dass letztere oft mit einem enormen Maß an Verzweiflung, Hoffnungslosigkeit und Leid sowohl auf Seiten des Rachsüchtigen als auch für die Personen seines jeweiligen Umfeldes einhergeht, die dieser Rache zum Opfer fallen.

Abstract:
In this paper I elaborate the concepts of retaliation and vengeance in the work of Melanie Klein. Unlike other psychoanalytic writers who regard these phenomena as secondary or as expressions of pathological abortive development from early childhood, Klein regards them as phantasies and emotions significant to early infant development. The longing for retaliation is seen by Klein as a reaction to the inevitable persecution anxieties characteristic of the paranoid-schizoid position predominant during the infant’s first months of life. Klein depathologizes retaliatory anxieties and feelings of revenge and views them as normal defences against elementary persecution anxieties. In her view, they constitute an essential part of the psychic constitution required for healthy adult development. Klein’s position should not be interpreted as a pessimistic psychology of resignation. Her ethic is based on love rather than on aggression turned against the self. The capacity of the mature individual to be concerned for the well-being of others includes the ability to identify with their suffering. While revenge can be viewed as a normal phenomenon, vengefulness is more often than not accompanied by deep despair, hopelessness and suffering on the part of the vengeful person and those who are victims of this revenge.
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