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23 Seiten, PDF-E-Book
Erschienen: August 2024
Bestell-Nr.: 41013
https://doi.org/10.30820/9783837962413-47
Lisa Baraitser

Passivität und Gender (PDF)

Psychische Trägheit und mütterliches Innehalten

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Wer hat Angst vor Passivität? Historisch gesehen hatten Frauen und minorisierte Menschen guten Grund dazu, da Passivität ein Mittel war, um sie von der Welt der ›Vernunft‹ fernzuhalten. Die Wandlung seiner Auffassung der aktiv-passiv-Binarität als dem allen Trieben innewohnenden Prinzip hin zu ihrer Vergeschlechtlichung in Form von Weiblichkeit/Passivität und Männlichkeit/Aktivität, führte Freud in »Die endliche und die unendliche Analyse« (1937c) zur Behauptung, die »Ablehnung der Weiblichkeit« sei der gewachsene Fels des psychischen Lebens. Dies hat einen umfangreichen Katalog an feministischer, queerer und Schwarzer psychoanalytischer Forschung entstehen lassen, in dem die Frage nach der Definition von weiblicher Subjektivität und Sexualität sowie von psychischer Weiblichkeit und Männlichkeit immer wieder neu aufgeworfen wird. Was dennoch auch in diesen Theorien als ›gewachsener Fels‹ erhalten bleibt, ist die Figur der Mutter in der Innenwelt des Säuglings als vermeintlich kastriert und allmächtig, was die Forderung mit sich bringt, der Säugling müsse sich des durch die Abhängigkeit von der Mutter Aufgewühlten erwehren. Nach einem Rückblick auf verschiedene psychoanalytische Auseinandersetzungen mit Weiblichkeit wende ich mich anstelle der Passivität dem ›Innehalten‹ zu und gelange zu der Annahme, es könne ein mütterliches Element ausgemacht werden, das auf der Seite der Entwicklung verbleibt: eine Figuration von psychischer Trägheit, die die Fähigkeit des Abwartens, Anhaltens, Ablassens und des Rückzugs beinhaltet in einer Welt, in der derlei psychische Funktionen so schmerzlich fehlen.

Abstract:
Who is afraid of passivity? Historically, women and minoritized people have had good reason to be, given that passivity has been a way to keep them out of the world of »reason«. Freud’s move from the activity/passivity binary as the principle of all instinct, to its gendering as femininity/passivity and masculinity/activity, leads him to assert the »repudiation of femininity« as the bedrock of psychic life (Freud, S. 1937. »Analysis Terminable and Interminable« In The Standard Edition of the Complete Psychological Works of Sigmund Freud, 23, 209–254. London: Hogarth Press). This has led to a generative history of feminist, queer and Black psychoanalytic scholarship that constantly reopens the question of female subjectivity and sexuality, and what we mean by psychic femininity and masculinity. However, what does remains as »bedrock«, even in this theorizing, is the figure of the mother in the internal world of the infant – supposedly castrated yet all-powerful, and requiring that the infant defend itself against what is stirred up as a result of dependency on her. After reviewing some of the psychoanalytic debates about femininity, I turn to »stillness« rather than passivity to suggest that we can identify a maternal element that is on the side of development, a figuration of psychical inertia that holds the capacity for waiting, stopping, ceasing and withdrawing in a world in which these mental functions are sorely missing.