Johannes Reichmayr & Elke Mühlleitner

Der Autor von 119 Rundbriefen (1934-1945): Otto Fenichel - Historiograph der psychoanalytischen Bewegung

Psyche, 1996, 50(8), 742-753

Die Bedeutung der von O. Fenichel in den Jahren 1934 bis 1945 verfassten 119 Rundbriefe wird aus psychoanalysegeschichtlicher Perspektive erörtert. Zunächst werden die schwierige Lage der internationalen psychoanalytischen Bewegung nach der nationalsozialistischen Machtergreifung in Deutschland und insbesondere die Situation der emigrierten Analytiker samt den theoretischen, politischen und bewegungspolitischen Konflikten, in welche sie wie die Psychoanalyse ... [ mehr ]

Nicholas Rand & Maria Torok

Fragen an die Freudsche Psychoanalyse: Traumdeutung, Realität, Fantasie

Psyche, 1996, 50(4), 289-320

Ernsthafte Vorbehalte gegenüber einigen theoretischen Konzeptionen von S. Freud werden geäußert. Unter Heranziehung von Stellen aus dem Werk Freuds und am Beispiel seiner größten Entdeckungen (Bedeutung des sexuellen Elements, Traumarbeit, Wege der Symbolbildung) werden Risse und innere Widersprüche aufgezeigt. Anhand dieser klassischen Themen (Traum, Trauma, Verführung, Realität, Fantasie) wird eine fundamentale methodologische ... [ mehr ]

Hartmut Raguse

Die Bibel zwischen Literaturinterpretation und analytischem Prozeß

Psyche, 1996, 50(9-10), 817-835

Ausgehend von der Frage, ob die psychoanalytische Bibelinterpretation eine Erweiterung der altkirchlichen Lehre vom mehrfachen Schriftsinn ist, wird gezeigt, wie in der neueren Psychoanalyse nicht mehr ein an sich vorhandener geheimer Sinn aufgedeckt, sondern eine neue Bedeutung konstruiert wird, die von der Pragmatik der mündlichen Rede bzw. von deren Wirkabsicht ausgeht. Es wird deutlich gemacht, dass sich dieses Konzept auch auf die Interpretation von geschriebenen ... [ mehr ]

Anna Ornstein

Die Angst vor der Wiederholung

Psyche, 1996, 50(5), 444-462

In der Selbstpsychologie bilden empathisches Zuhören und die Aufmerksamkeit für Selbstobjektübertragungen den Schwerpunkt analytischen Arbeitens, der zur Neubewertung verschiedener Aspekte der traditionellen Psychoanalyse führt. Anhand eines klinischen Beispiels (42-jährige Patientin) wird demonstriert, wie archaische Abwehrorganisationen und sich entwickelnde psychische Strukturen im Übergangssymptom zu einem Kompromiss finden. ... [ mehr ]

John Neubauer

Sigmund Freud und Hans Blüher in bisher unveröffentlichten Briefen

Psyche, 1996, 50(2), 123-148

Aus psychoanalysegeschichtlicher Perspektive wird ein bisher unveröffentlicher Briefwechsel erörtert, zu dem es in den Jahren 1912 und 1913 zwischen S. Freud und dem jungen Hans Blüher, der in der Wandervogelbewegung eine zentrale Rolle gespielt hatte, kam. In dieser Korrespondenz ging es um die Bewertung der männlichen Homosexualität, in welcher sich Freud und Blüher nicht völlig einig waren. Der intellektuelle Gehalt dieser Debatte wird ... [ mehr ]

Ulrich Moser & Ilka von Zeppelin

Die Entwicklung des Affektsystems

Psyche, 1996, 50(1), 32-84

Die Entwicklung des Affektsystems wird aus psychoanalytischer Perspektive erörtert. Zunächst wird gezeigt, dass die Entwicklung des Affektsystems mit ausschließlich kommunikativen Affekten beginnt. Diese regeln die Beziehung zwischen Subjekt und Objekt. Auf einer weiteren Stufe informieren sie zusätzlich über die Selbstempfindung, die aus der Interaktion entsteht. Affekt wird konsequent als eine besondere Information verstanden. Ein eigener ... [ mehr ]

Elfriede Löchel

»Jenseits des Lustprinzips«: Lesen und Wiederlesen

Psyche, 1996, 50(8), 681-714

Die von S. Freud in Jenseits des Lustprinzips entwickelte Konzeption des Todestriebs, die bis heute eher ignoriert als kontrovers diskutiert wird, wird erörtert. Dabei wird versucht, Freuds Suche nach dem Jenseits , dem er schließlich den Namen Todestrieb gab, nachzuzeichnen und die dabei entstehenden Widersprüche und Ungereimtheiten zu entfalten. Es wird deutlich gemacht, dass diese nicht im Konzept selbst, sondern im Wesen der Sache begründet sind. ... [ mehr ]

Joseph D. Lichtenberg, Frank Lachmann & James Fosshage

Werte und moralische Haltungen

Psyche, 1996, 50(5), 407-443

Der Stellenwert von Werten und moralischen Haltungen wird aus psychoanalytischer Sicht erörtert. Einleitend wird darauf hingewiesen, dass S. Freud zwar noch davon ausgehen konnte, dass das Moralische sich von selbst versteht, wohingegen die heutige Psychoanalyse den Stellenwert von moralischen Haltungen und Werten als integralen Bestandteil jeglicher Erfahrung und Interaktion problematisiert. Anhand von Beispielen wird deutlich gemacht, wie Werte und moralische ... [ mehr ]

Sebastian Leikert

Diskurs der Musik und Einschreibung des Vaternamens im Wohltemperierten Klavier von Johann Sebastian Bach

Psyche, 1996, 50(3), 218-243

Es wird der Versuch unternommen, ein Verständnis der Musik aus dem Unterschied der Schriftsysteme von Musik und Sprechen zu entwickeln. Dabei wird deutlich gemacht, dass es in der Musik keine fixierte Verknüpfung von Signifikant und Bedeutung gibt, wie sie im Sprechen durch Buchstabenfolgen bewerkstelligt wird. Daher kann sich auch der Vatername, dessen Anerkennung psychische Stabilität garantiert, nicht in den Diskurs der Musik einschreiben. Anhand des ... [ mehr ]

Jonathan Lear

The Shrink is in

Psyche, 1996, 50(7), 599-616

Das Freud- Bashing ist in den Vereinigten Staaten Mode oder eine Art Zeitvertreib geworden, und es beginnt inzwischen auch auf Deutschland überzugreifen. Erklärende Hinweise darauf, wie es zu diesem Trend kommen konnte, werden gegeben, um dann zu zeigen, dass die Protagonisten des Freud-Bashing, von M. Masson bis F. Crews, S. Freud und der Psychoanalyse Vorwürfe anhängen, die entweder sachlich unzutreffend oder aber in sich widersprüchlich sind: ... [ mehr ]

Hartmuth König

Gleichschwebende Aufmerksamkeit, Modelle und Theorien im Erkenntnisprozeß des Psychoanalytikers

Psyche, 1996, 50(4), 337-375

Der Erkenntnisprozess des Psychoanalytikers wird erörtert. Einleitend wird darauf hingewiesen, dass sich dieser Prozess ständig zwischen der Versuchung, sich von zu viel Theorie leiten zu lassen, und der Gefahr, nur den Gefühlen zu vertrauen, bewegt. Um Empathie und Wissen so miteinander zu vermitteln, dass das Unbewusste des Patienten optimal erreicht wird, wird eine Modellbildung im Sinne von W. R. Bion erläutert. Es wird aufgezeigt, dass dieses Modell ... [ mehr ]

Ursula Kreuzer-Haustein & Günther Schmidt

Kritischer Kommentar zu Annemarie Dührssens Buch »Ein Jahrhundert Psychoanalytische Bewegung in Deutschland«

Psyche, 1996, 50(6), 564-573

Im Rahmen von kritischen Anmerkungen zu A. Dührssens 1994 erschienenem Buch Ein Jahrhundert Psychoanalytische Bewegung in Deutschland wird darauf hingewiesen, dass dieses Buch auf beklemmende Weise veranschaulicht hat, dass ein Teil der deutschen Psychoanalytiker nach wie vor bereit ist, die Geschichte der Psychoanalyse, insbesondere die zwischen 1933 und 1945, so umzuschreiben, dass die Ausgrenzung der jüdischen Analytiker aus der Deutschen Psychoanalytischen ... [ mehr ]

Robert D. Hinshelwood

Das schwierige Konzept der »Inneren Objekte« (1934-1943).

Psyche, 1996, 50(6), 523-547

Das von M. Klein entwickelte Konzept der inneren Objekte, das heute kaum noch diskutiert wird, löste in der British Psychoanalytical Society in den dreißiger und vierziger Jahren heftige Debatten aus. Vor allem die Wiener Analytiker konnten der Existenz von über Internalisierungsprozesse entstandenen inneren Objekten nicht zustimmen. Der Verlauf dieser Verwirrung stiftenden Debatten um ein klinisches Problem wird in einem geschichtlichen Kontext ... [ mehr ]

James M. Herzog

Übermittlung eines Traumas: Unbewußte Phantasie und deren Auslösung durch die äußere Realität, mit besonderer Rücksicht auf den Holocaust

Psyche, 1996, 50(6), 548-563

Anhand eines psychoanalytischen Fallbeispiels (51-jähriger Patient) wird die Psychodynamik der Übermittlung eines Traumas erörtert. Das Trauma wird dabei aufgefasst als eine Einwirkung bestimmter Arten von Hyper- und Hypostimulierung beim Kind oder Erwachsenen, die die Fähigkeit zum Spiel unterbricht und eine Veränderung des Spielmodus zur Folge hat. Es kommt zu einem interaktiven Agieren in der Beziehung, in der die vorprogrammierte Beteiligung des ... [ mehr ]

Rolf Haubl

Geldpathologie und Überschuldung: am Beispiel Kaufsucht

Psyche, 1996, 50(9-10), 916-953

Ausgehend von der Feststellung, dass die Psychoanalyse dem Phänomen Geld und dem Umgang mit ihm bisher vergleichsweise wenig Aufmerksamkeit geschenkt hat, wird zunächst ein Überblick über den Erkenntnisstand psychoanalytischer Geldtheorien gegeben. Dann werden die sozialen Hintergründe und die psychosozialen Ursachen für den irrationalen Umgang mit Geld erörtert. Anschließend wird anhand eines Fallbeispiels (26-jährige ... [ mehr ]

Hendrika C. Halberstadt-Freud

Clara Schumann: »Liebe und Leben einer Frau«

Psyche, 1996, 50(3), 193-217

In einer Rekonstruktion der Lebensgeschichte der Pianistin und Komponistin Clara Schumann-Wieck (1819 bis 1896) wird anhand von Briefen und Biographien ein psychoanalytisches Porträt dieser großen Musikerin entworfen. Im Zentrum der Analyse stehen die vielschichtigen Loyalitätskonflikte Schumann-Wiecks, ihre widersprüchlichen Identifizierungen und Idealbildungen sowie ihre Fähigkeit, diese widerstreitenden Bestrebungen in sich zu vereinbaren und zu ... [ mehr ]

Ludwig Haesler

Der angemessene Abstand in der Beziehung zwischen Supervisor und Kandidat

Psyche, 1996, 50(4), 321-336

Aufgrund der zentralen Stellung, die die Supervision in der psychoanalytischen Ausbildung einnimmt, hat der verantwortliche Lehranalytiker eine äußerst wichtige, komplexe und schwierige Aufgabe zu erfüllen. Die Supervision ist in der Ausbildung künftiger Psychoanalytiker deswegen zentral, weil das Ergebnis des Supervisionsprozesses darin besteht, die Funktion des Lehranalytikers zu verinnerlichen. Dieses innere Funktionieren des verinnerlichten ... [ mehr ]

John E. Gedo

Die Psychobiologie der Motivation und die Organisation des Seelischen aus der Sicht eines hierarchischen Modells

Psyche, 1996, 50(5), 385-406

Unter Vernachlässigung von S. Freuds klassischer Triebtheorie, die sich teils auf heute überholte biologische Modelle stützte, und mit Bezug auf J. Lichtenbergs Theorie der Motivation wird ein fünfstufiges Motivationsmodell entworfen, das vorprogrammierte biologische Muster ebenso umfasst wie durch Lernen und Erfahrung gewonnene. Anhand knapper klinischer Beispiele wird gezeigt, dass menschliches Verhalten im Dienste mehrerer Motive stehen kann. Deshalb ... [ mehr ]

Martin Dornes

Margaret Mahlers Theorie neu betrachtet

Psyche, 1996, 50(11), 989-1018

M. Mahlers psychoanalytische Entwicklungstheorie, die in den letzten Jahren von Kleinkindforschern kritisiert worden ist, wird erörtert. Einleitend wird darauf hingewiesen, dass die Entdeckung und Beschreibung differenzierter Wahrnehmungs- und Interaktionsfähigkeiten von Säuglingen Mahlers Theorie vom symbiotischen Ursprung der menschlichen Existenz die Grundlage zu entziehen scheint. Demgegenüber wird in Anlehnung an E. Pine der Versuch einer zumindest ... [ mehr ]

Cornelius Castoriadis

Psychoanalyse und Politik

Psyche, 1996, 50(9-10), 902-915

Ausgehend von S. Freuds Diktum über die drei unmöglichen Berufe Psychoanalyse, Pädagogik und Politik wird die Ausdehnung und Begrenzung jenes Feldes erörtert, in welchem sowohl Psychoanalyse (als Arbeit an der Autonomie des Einzelnen) wie auch Politik (als Arbeit an der Autonomie des Gesellschaftlichen) sich begegnen und wechselseitig voraussetzen (keine individuelle Autonomie ohne die Existenz einer autonomen Gesellschaft, die in selbstreflexiver ... [ mehr ]

Hans-Joachim Busch

Vaterlose Gesellschaft, Trieb, Subjekt

Psyche, 1996, 50(9-10), 881-901

J. Benjamins feministische Kritik an zentralen psychoanalytisch-sozialpsychologischen Kategorien wird kritisch erörtert. Zunächst wird deutlich gemacht, dass der Auffassung Benjamins zufolge das gegenwärtige Unbehagen in der Kultur nicht in der Verdrängung und der kulturellen Desintegration der Triebe wurzelt, sondern in einem unversöhnten Verhältnis der Geschlechter, welches Reziprozität und wechselseitige Fürsorge, die auf ... [ mehr ]

Jose Brunner

Die Macht der Phantasie - die Phantasie der Macht

Psyche, 1996, 50(9-10), 786-816

Im Rahmen einer Analyse von S. Freuds religionspsychologischen Schriften wird gezeigt, dass Freud zunächst die Analogie von Religion und Neurose heranzog, um die Sinnhaftigkeit zwangsneurotischer Symptome zu belegen. Seit Totem und Tabu wollte er anhand der Religion das Verhältnis der Menschen zur Macht aufzeigen. Zwei Genealogien der Religion werden in diesem Zusammenhang unterschieden: (1) In Totem und Tabu wurde mit der Errichtung eines Gottes der Verlust ... [ mehr ]

Jaap C. Bos

Die zukünftigen Chancen der psychoanalytischen Geschichtsschreibung

Psyche, 1996, 50(12), 1102-1126

Das Verständnis der Geschichtsschreibung der Psychoanalyse und innerhalb der Psychoanalyse wird erörtert. Dabei wird deutlich gemacht, dass Geschichtsschreibung nicht nur eine bloß deskriptive Tätigkeit ist, sondern auch ein Akt der Konstitution: Sie konstituiert einen Begriff von Psychoanalyse. Zwischen 1900, dem Jahr des Erscheinens der Traumdeutung , und heute werden vier aufeinander folgende historiographische Muster unterschieden (Freuds ... [ mehr ]

Werner Bohleber

Krieg um Freud

Psyche, 1996, 50(7), 589-598

Die heftige Auseinandersetzung um S. Freud und die Psychoanalyse, die seit ein paar Jahren die amerikanische Öffentlichkeit erhitzt, findet inzwischen auch in der deutschen Tagespresse ihren Niederschlag. Vor diesem Hintergrund wird der jüngste Fall von Freud- Bashing in den Vereinigten Staaten skizziert, der durch eine geplante Freud-Ausstellung in Washington ausgelöst wurde. Die Analyse der Hintergründe und Motive der Attacken gegen Freud und die ... [ mehr ]