Mario Erdheim

Migration, Trauma und die soziokulturelle Integration von Flüchtlingen (PDF)

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Prozesse der Migration und Integration können Traumata hervorbringen, aber auch selbst durch vorangegangene Traumata beeinflusst werden. Am Beispiel einer Legende von Uiras, einem Urubu-Indianer (Kaapor), der durch den Tod seines Sohnes traumatisiert wurde und bei dem kulturelle Rituale der Traumabewältigung versagten, wird verdeutlicht, wie durch die Migration in fremde Kulturen anhaltende Retraumatisierungen stattfinden können. Maßgeblich dafür sind scheiternde Verständigungsbemühungen und Kommunikationsabbrüche. Am Ende bleibt Uiras nur der Tod. Der Beitrag beschreibt das Festhalten an religiösen Überzeugungen, die einen Boden schaffen, der in der Fremde trägt – als Übergangsform und möglicher Weg der Integration. Hervorgehoben wird generell die integrationsfördernde Funktion religiöser und anderer soziokultureller Gemeinschaften, denen sich Menschen zugehörig fühlen. Deswegen erkennt der Autor in sogenannten ›Parallelgesellschaften‹ nicht bloß etwas Negatives, zu Vermeidendes, sondern eine Vorbedingung oder Vorstufe gesellschaftlicher Integration sowie religiöser, kultureller Toleranz. Der Beitrag schließt mit einem Blick in Krankengeschichten von Flüchtlingen aus dem Kosovo und ein staatliches Gesundheitssystem (in der Schweiz), in dem unbemerkt Kulturkämpfe ausgetragen werden. Krankheiten sind mitunter Symptome misslungener Traumabearbeitung und gescheiterter Integration.

Abstract:
Processes of migration and integration can produce trauma, but can also themselves be influenced by previous trauma. The example of a legend of Uira, an Urubu Indian (Kaapor), who was traumatized by the death of his son and for whom cultural rituals for coping with trauma failed, illustrates how migration into foreign cultures can lead to lasting re-traumatization. The main reasons for this are failed efforts at understanding and communication breakdowns. In the end, Uira is left with only death. The article describes the adherence to religious convictions, which create a foundation that is sustainable in a foreign country, as a transitional form and possible path to integration. It generally emphasizes the integration-promoting function of religious and other socio-cultural communities to which people feel they belong. For this reason, the author does not see so-called parallel societies as something negative to be avoided, but as a precondition or preliminary stage of social integration and religious, cultural tolerance. The article concludes with a look at the medical histories of refugees from Kosovo and a state health system (in Switzerland) in which cultural battles are fought out unnoticed. Illnesses are sometimes symptoms of failed trauma processing and failed integration.