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12 Seiten, PDF-E-Book
Erschienen: September 2022
Bestell-Nr.: 26656
https://doi.org/10.30820/0171-3434-2022-3-10
»psychosozial«
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Henriette Voelker

»Die ›freischaffende‹ Arbeitsweise des Psychologen zu beseitigen« (PDF)

Politischer Auftrag und Eigenlogik psychologischer Praxis in der Schulpädagogik der DDR

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Der Beitrag nähert sich der Rolle der Pädagogischen Psychologie im Schulwesen der DDR aus geschichtswissenschaftlicher Perspektive. Dazu untersucht er die Einbindung von Psycholog:innen in Pädagogische Kreiskabinette ab 1974 anhand von Verwaltungsschriftgut des Ministeriums für Volksbildung. Das Ministerium schuf die neuen Stellen und versah die Pädagogische Psychologie mit dem Auftrag, pädagogische Prozesse zu verbessern und junge Menschen ideologisch zu prägen. Anhaltende Besetzungsschwierigkeiten werden auf die Drosselung der Studierendenzahlen im Kontext der dritten Hochschulreform sowie die Abwanderung von Absolvent:innen in den klinischen Bereich zurückgeführt. Ein verkürztes und spezialisiertes Psychologie-Studium für Pädagog:innen sollte dem so entstandenen Personalmangel entgegenwirken. Die Absolvent:innen erlernten und internalisierten Praktiken, wie die Anwendung psychodiagnostischer Verfahren und Erziehungsberatungsgespräche, die für ihr professionelles Handeln konstitutiv werden sollten. Bedingt durch ein anfängliches ministerielles Anleitungsvakuum, griffen Psycholog:innen auf diesen Praxiskomplex zur Bewältigung alltäglicher Herausforderungen in den Pädagogischen Kreiskabinetten zurück. Auch wenn dies nicht notwendigerweise eine politisch-ideologische Opposition darstellen musste, entstand ein Rationalitätenkonflikt mit dem sich formierenden ministeriellen Anforderungsprofil, das die Weiterbildung von Pädagog:innen priorisierte. Intensivierte ministerielle Steuerungsversuche trafen auf die Eigenlogik psychologischer Praxis und mündeten in einem Aushandlungsprozess, bei dem das Ministerium partielle Zugeständnisse machte. Der Vorstellung von »Herrschaft als sozialer Praxis« folgend zeigt der Beitrag, wie Psycholog:innen die Herrschaftsbeziehung »von unten« mitformten, sodass es dem Ministerium nicht gelang, ihre »freischaffende Arbeitsweise« restlos zu beseitigen.

Abstract:
This article approaches the role of educational psychology in the GDR school system from a historical perspective. It investigates the integration of psychologists in pedagogical district cabinets [Pädagogische Kreiskabinette] from 1974 onwards based on administrative documents from the Ministry of Education. The ministry created new posts and charged educational psychology with improving educational processes and shaping young people ideologically. Continuing difficulties in filling the posts are attributed to the reduction of student numbers in the context of the third university reform and the migration of graduates to the clinical sector. A shortened and specialised psychology degree programme for pedagogues was designed to counteract the resulting staff shortage. Graduates learned and internalised practices such as the use of psychodiagnostics and educational counselling interviews, which were to become constitutive for their professional acting. Due to an initial vacuum of ministerial guidance, psychologists made use of this complex of practices to cope with everyday challenges in the pedagogical district cabinets. Without this having to be a political-ideological opposition, a rationality conflict arose with the forming of ministerial requirements, which focused on the training of pedagogues as their main task. Intensified attempts at ministerial control met with the intrinsic logic of psychological practice and resulted in a process of negotiation in which the ministry made partial concessions. Following the idea of »governance as social practice«, the article shows how psychologists contributed to shaping the power relationship »from below«, so that the ministry did not succeed in fully eliminating their »independent way of working«.
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